Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
sprechen verstanden. Sie grüßte zurück, in der gleichen Weise. Sie konnte es also noch. Manchmal, in den Ferien, war ihr diese Sprache wie ein Traum vorgekommen, den sie einmal geträumt und dann fast wieder vergessen hatte. Jetzt wusste sie, dass es kein Traum gewesen war. Es war die reine Wirklichkeit und das erfüllte sie mit Glück.
Nach dem Frühstück schleppten sich Thuna und Maria in den Gebäudeteil mit den ungeraden Zimmernummern, der dem bösen Wald am nächsten war. Dort erklommen sie eine Treppe nach der anderen und zuletzt eine steile Stiege, bis sie das Dachzimmer 773 erreichten, das sie seit ihrem ersten Schultag in Sumpfloch bewohnten. Berry und Scarlett holten unterdessen ihre Sachen aus dem Zimmer , in dem sie während der Ferien gewohnt hatten, denn seine eigentlichen Bewohner würden heute wieder dort einziehen. Als sie mit ihren wenigen Habseligkeiten im Zimmer 773 ankamen, schliefen Maria und Thuna schon tief und fest, ebenso wie Kunibert, das Strohpüppchen, das Maria wieder mitgebracht und wie üblich im Loch in der Wand hinter ein em losen S tein einquartiert hatte.
Bis zum Abendessen wachten Thuna und Maria nicht mehr auf. So kam es, dass sie die wesentlichen Ereignisse dieses Tages verschliefen. Sie schliefen, als die schwarze Kutsche von Fortinbrack in Begleitung von sechs berittenen Soldaten vor der Brücke hielt, die über die Sümpfe zur Festung führte. Sie schliefen, als eine Hoheit, ein Gespenster-Leibwächter und eine gut gelaunte Lisandra aus der Kutsche sprangen und munter schwatzend in den Innenhof spazierten. Sie verschliefen das dortige Zusammentreffen von Scarlett und Hanns, das überraschend unspektakulär verlief.
Er sagte:
„Hallo Scarlett, wie geht’s dir?“
Sie sagte:
„Gut, danke. Und dir?“
Er lächelte und zuckte mit den Achseln.
„Mal so, mal so. Wir haben es alle nicht leicht, oder?“
Sie lächelte zurück, versöhnlich und freundschaftlich.
„Das stimmt.“
Dann wanderten die sechs Soldaten mit dem Gepäck ins Innere von Sumpfloch und Hanns und Haul folgten ihnen.
„Ich hab sie zufällig in Quarzburg getroffen“, erklärte Lisandra ihren Freundinnen. „Die beiden sind hier, um bei einem alten Irren einen Prügelkurs zu belegen. Ich kann nur sagen: Ich beneide sie nicht! Da lasse ich mich lieber vom alten Krötengesicht Westbarsch quälen, als dass ich riskiere, von dem verrückten Yu Kon meinen Kopf abgeschlagen zu bekommen.“
Berry und Scarlett reagierten mit betretenem Schweigen.
„Was ist?“, fragte Lisandra. „So schlimm sind sie doch gar nicht! Glaubt mir, ich habe mit den beiden Jungs mehrere Stunden in einer Kutsche verbracht und hatte richtig Spaß!“
„Oh“, sagte Berry, „es ist nicht wegen …“
„Habt ihr gemerkt, dass Haul ein Gespenst ist? So ein richtig übles Gespenst aus Fortinbrack, das man anfassen kann? Nicht dass ich ihn anfassen will, aber es ist schon richtig komisch, wenn er isst oder atmet oder etwas in die Hand nimmt. Es sieht fast normal aus, aber eben nur fast!“
„Lissi“, sagte Scarlett ernst. „Wir müssen dir was sagen. Etwas Unangenehmes.“
„Ja?“, fragte Lisandra.
„Dieser Yu Kon ist aus einem bestimmten Grund hier“, erklärte Scarlett. „Er soll dich unterrichten.“
Lisandras Augen weiteten sich erschrocken.
„Mich? Warum denn?“
„Komm mit rein! Wir besprechen das lieber an einem ruhigen Ort.“
Mit Lisandras Fröhlichkeit war es nicht weit her. Das erkannten Scarlett und Berry, als sie Lisandra erzählten, was sie von Grohann gehört hatten. Nämlich dass die Regierung darüber Bescheid wusste, welches Erdenkind Lisandra war, und dass sie Yu Kon ihretwegen nach Sumpfloch geholt hatten.
„Auch das noch“, sagte Lisandra, der die Tränen in die Augen traten. „Ist nicht sowieso schon alles schrecklich genug?“
„Aber Lissi“, gab Berry zu bedenken, „du wolltest doch immer kämpfen lernen. Du hast in jeder freien Minute mit Geicko trainiert!“
Geicko. Dieses Stichwort genügte, um Lisandras Lippen endgültig zum Beben zu bringen.
„Er hat mir kein einziges Mal geschrieben!“, brach es nun aus ihr heraus. „Ich glaube, er mag mich nicht mehr!“
„Ach was, so ein Unsinn!“, rief Scarlett. „Er hat dir nicht geschrieben, weil er dachte, dass du die Briefe sowieso nicht liest. Du hast unsere Briefe nie gelesen, da kann einem schon die Lust zum Schreiben vergehen!“
„Aber in diesen Ferien habe ich sie gelesen.“
„Das kann doch Geicko nicht
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