Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
Augen, die zornig gerunzelte Stirn. Der Anblick gefiel ihr nicht. Warum sah sie so böse aus, wenn sie zauberte? Sie wollte viel lieber nett und freundlich aussehen. Scarlett versuchte, sich selbst anzulächeln, erschrak aber über die Grimasse, die sie da zog.
„Was machst du denn für ein Gesicht?“, fragte Berry lachend.
„Ich habe versucht, nett auszusehen!“, antwortete Scarlett leicht verzweifelt, doch dann musste sie auch lachen „Es gelingt mir einfach nicht!“
„Oh, es gelingt dir schon! Aber nur, wenn du nicht nachdenkst oder irgendwelche Cruda-Probleme in deinem Kopf herumwälzt. Du kannst sogar erstaunlich naiv und dämlich aussehen, wenn ein bestimmter Lehrersohn meint, er müsste dir Komplimente machen!“
Scarlett entwischte ein kleines Lächeln. Ein echtes Lächeln, das genauso schnell wieder verschwand, wie es gekommen war.
„Ach, Gerald! Könntest du mir doch von morgens bis abends Komplimente machen, damit ich auf ewig dümmlich grinse!“
„Bloß nicht!“, rief Berry. „Aber ich wünsche dir, dass er bald zurückkommt. Ich wünsche es auch für mich selbst. Ich fürchte, in diesem Winter können wir jede Verstärkung ge brauchen.“
Scarlett unterdrückte einen wehmütigen Seufzer und wollte sich wieder ihren Dachlawinen zuwenden, als sie merkte, dass ihre Aufregung und die Unruhe verschwunden waren. Der innere Sturm hatte sich gelegt. Was sie nun besänftigt hatte – der Gedanke an Gerald, die Dachlawinen, Berrys wohltuende Gesellschaft oder das flüchtige Lächeln ihres Spiegelbilds – sie wusste es nicht. Sie merkte nur, dass sie nun friedlich genug gestimmt war, um schlafen zu gehen und den nächsten Tag auf sich zukommen zu lassen. Was auch immer er bringen würde.
Der nächste Morgen begann mit einer Überraschung: Als Berry und Scarlett den Hungersaal betraten, saßen Thuna und Maria schon dort. Mit Freudenschreien stürzten Berry und Scarlett auf ihre Freundinnen zu und ihr Jubel wurde auf sehr gedämpfte Art und Weise erwidert. Maria hatte glänzende Augen, eine heiße Stirn und sah nicht besonders gesund aus. Thuna wirkte stark übernächtigt. Ihr schmales Gesicht war blasser als sonst und das Reden schien ihr große Anstrengung zu bereiten.
„Was ist denn mit euch passiert?“, fragte Berry. „Seid ihr zu Fuß gekommen?“
Maria gab einen für sie untypischen Laut des Zorns von sich und Thuna berichtete mit müder Stimme, dass sie drei Nächte lang nach Sumpfloch unterwegs gewesen waren, wobei die dritte Nacht die härteste von allen gewesen sei.
Alban von Montelago Fenestra hatte es sich in den Kopf gesetzt, Thuna und Maria persönlich nach Sumpfloch zu bringen, damit sie bloß nicht den schrecklichen Kutschbus in Quarzburg nehmen mussten. Leider stellte sich heraus, dass die Transportmöglichkeiten in diesem strengen Winter stark eingeschränkt waren. Alle Flugwürmer, Kutschen und Schlitten waren teuer und ausgebucht. Nur in der Nacht gab es noch freie Fahrten. Das fand Alban von Montelago Fenestra aber nicht weiter schlimm. Er buchte kurzentschlossen drei nächtliche Etappen beim selben Fuhrunternehmen und war sich in den folgenden Tagen nicht zu schade, bei jeder Gelegenheit zu betonen, war für eine schöne Reise das doch werden würde. Maria sah den nächtlichen Fahrten mit Schrecken entgegen und auch Thuna hatte Bedenken, da die Nächte extrem kalt zu werden drohten.
Das alles wäre schon schlimm genug gewesen, doch Alban hatte es versäumt, das Kleingedruckte zu lesen. Sonst hätte er gewusst, dass der Schlitten von Wölfen gezogen wurde, dass der Kutscher ein Trollverwandter war und neben dem Gepäck der Montelago Fenestras auch noch einige andere Waren transportiert werden würden, die in verschiedenen Dörfern ein- und ausgeladen werden sollten.
Thuna war zu müde, um den Freundinnen das ganze Elend dieser Fahrt zu schildern. Nur so viel: Sie waren jede Nacht von Einbruch der Dämmerung bis zum Morgengrauen unterwegs, fuhren abenteuerliche Umwege und machten Station in Dörfern, die selbst bei Tageslicht weder heimelig noch gastfreundlich zu nennen gewesen wären, jedoch in der Nacht vorhöllengleiche Ahnungen weckten. Nun war Alban von Montelago Fenestra in der Regel kaum zu erschüttern (es sei denn, es handelte sich um den „Horrorkutscher“ des Quarzburger Kutschbusses) und so betonte er bei jedem gruseligen, kalten und extrem ungemütlichen Dorf-Aufenthalt, dass dies die hübscheste Reise sei, die er jemals unternommen habe.
„Seht
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