Mondschein, Kuesse Und Amore
die ganze Nacht wach und dachte an Ella. Theoretisch war das Ganze total verrückt. Sie lebten in verschiedenen Ländern, und Ella wollte sich gerade mit einer Geschäftsidee selbstständig machen, die sie ganz in Anspruch nehmen würde. Aber bei ihr empfand er, was er noch bei keiner anderen Frau empfunden hatte, und er wollte sie besser kennenlernen. Herausfinden, was es mit seinen Gefühlen auf sich hatte. Warum sie so eine Wirkung auf ihn ausübte.
Er musste nur die richtigen Worte finden, um ihr zu sagen, wer er wirklich war und dass er mit der Wahrheit ein wenig sparsam umgegangen war. Hoffentlich verstand sie, dass er sie weder hatte verletzen noch hinters Licht führen wollen. Er hatte nur einmal er selbst sein wollen, nicht Rico, der knallharte Geschäftsmann, oder Rico, der Typ mit der dicken Brieftasche. Vielleicht war sie dann ja bereit, sich probeweise auf ihn einzulassen.
Nach dem Frühstück packte Ella ihre restlichen Sachen und ging zur Rezeption, um sich darum zu kümmern, dass sie ihren Koffer bis mittags im Gepäckraum abstellen konnte. Rico war schon da, unterhielt sich aber mit einer Hotelangestellten. Sie sprachen schnell und auf Italienisch, sodass Ella nicht verstand, worum es ging – aber eine Sache kam ihr komisch vor. Die Frau an der Rezeption wirkte äußerst respektvoll, als sie mit ihm sprach. Dabei war er nur Fremdenführer. Sie waren Kollegen, nicht Chef und Angestellte.
Und dann hörte sie die Rezeptionistin sagen: „ Si , Signor Rossi.“
Das war eindeutig respektvoll. Warum nannte sie ihn nicht beim Vornamen?
„Kann ich Ihnen helfen, Signorina ?“, fragte die andere Rezeptionistin.
„Ich … äh, ja. Grazie. Ich möchte auschecken.“
„Natürlich.“ Die Empfangsdame machte die Rechnung fertig und gab Ella eine Quittung über die Stadtsteuer.
„Darf ich fragen … wer der Mann da drüben ist?“ Ella deutete auf Rico, der immer noch in das Gespräch mit einer anderen Rezeptionistin vertieft war.
„Signor Rossi. Ein schöner Mann, nicht wahr?“ Die Empfangsdame lächelte.
Ja. Rico war ein sehr schöner Mann. Aber sie war nun schon die zweite, die ihn so förmlich beim Nachnamen nannte. Rossi. Der Name kam ihr bekannt vor, aber sie konnte sich nicht erinnern warum. „Wer ist er?“, fragte sie.
„Der Chef der Rossi-Hotels. Wir haben drei Schwesterhotels in Rom“, erklärte sie, „aber Signor Rossi hat sein Büro bei uns.“
Das Hotel gehörte Rico.
Er war also gar kein Fremdenführer. Er hatte sie angelogen. Ella wurde schwindelig. Mit ihrer Menschenkenntnis war es wirklich nicht weit her. Selbst für eine unverbindliche Affäre, bei der es eigentlich nicht darauf ankam, suchte sie sich einen notorischen Lügner. So viel zu dem Versprechen, das sie ihrer Mutter auf dem Sterbebett gegeben hatte. Versprich mir, dass du nicht dieselben Fehler machst wie ich, Ella. Ella hatte es versprochen. Und was hatte sie getan? Sie war drauf und dran gewesen, einen Lügner und Schürzenjäger zu heiraten. Wenigstens hatte sie rechtzeitig die Wahrheit über Michael herausgefunden, aber hier war sie nun in Rom und machte denselben Fehler erneut. Wie dumm sie gewesen war. Dumm, naiv und leichtgläubig. Sie hatte sich eingebildet, dass ihn etwas mit ihr verband, dass sie ihn kannte. Doch sie kannte ihn überhaupt nicht.
Nun, sie hatte genug von all den Lügen. Lügen waren das Einzige, was sie weder vergeben noch vergessen konnte, ihr wunder Punkt. Wenn Rico bei so etwas Unwichtigem wie seinem Job log, wann log er dann sonst noch? Vielleicht war er gar kein Single. War das der Grund, warum er nie die Nacht mit ihr verbrachte? Weil er nach Hause zu seiner Frau musste?
Bei dem Gedanken wurde ihr übel. Und sie wollte nur noch nach Hause. Sofort.
„Könnten Sie mir bitte ein Taxi rufen?“, bat sie die Rezeptionistin. „Zum Flughafen?“
„Natürlich, Signorina . Möchten Sie solange in der Lobby warten? Ich sage Ihnen dann Bescheid, wenn das Taxi da ist.“
„Grazie.“ Mit einem letzten Blick auf Rico – den Mann, bei dem sie sich wie im siebten Himmel gefühlt hatte, der sie jedoch von Anfang an belogen hatte – ging Ella in die Lobby.
Hoffentlich brauchte das Taxi nicht so lange.
Es war das erste Mal, dass Rico es bedauerte, im Hotel zu wohnen. Normalerweise hatte er kein Problem damit, alles stehen und liegen zu lassen, um einen schwierigen Gast zu besänftigen. Aber warum musste es ausgerechnet jetzt sein? Dummerweise hatte er sich Ellas Handynummer nicht
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