Mondschein, Kuesse Und Amore
störte sie nicht weiter, dass er vollständig angezogen war und sie nur einen Bademantel trug. Trotzdem war sie froh, als ihr Kostüm und ihre Bluse sauber gebügelt zurückkamen, zusammen mit dem Kaffee.
„Zieh dich noch nicht wieder an“, bat Rico. „Komm, setz dich zu mir.“
Sie kuschelte sich neben ihn aufs Sofa, legte den Kopf an seine Schulter und genoss es, seine Körperwärme zu spüren.
„Erzähl mir von Julia“, forderte er sie interessiert auf.
„Sie ist meine beste Freundin. Ich kenne sie, seit ich zehn war.“
„Ihr scheint euch sehr nahezustehen.“
„Ju ist die Schwester, die ich nie hatte.“
„Hast du gar keine Geschwister? Hat deine Mutter nicht wieder geheiratet?“
„Ich bin Einzelkind. Und mit meinem Vater war meine Mutter überhaupt nicht verheiratet.“ Ella richtete sich auf. Nun, er sollte ruhig wissen, woran er war, wenn er vorhatte, sich noch öfter mit ihr zu treffen. Auch wenn sie nur flüchtige Bekannte mit gewissen Vorzügen waren, ohne gefühlsmäßige Verstrickungen. „Er war schon mit einer anderen verheiratet. Mum wusste nichts davon, bis sie mit mir schwanger wurde. Als sie ihm dann erzählte, dass sie ein Kind erwartete, wollte er, dass sie abtreibt.“ Sie hob das Kinn. „Was sie ablehnte. Da ließ er sie sitzen.“
„Wie schrecklich.“ Rico wand sich innerlich. „Allmählich verstehe ich, warum du so empfindlich bist, wenn es ums Lügen geht.“
„Er hat nicht nur Mum angelogen. Auch seine Frau. Und ich wette, Mum war nicht die Erste, mit der er seine Frau betrog – oder die Letzte.“ Sie seufzte. „Meine Großeltern haben nicht sehr begeistert auf die Neuigkeit reagiert, dass sie schwanger war und der Vater des Kindes nichts mehr von ihr wissen wollte. Sie hatten sehr strenge Moralvorstellungen.“
Rico fuhr sich mit den Fingerspitzen über die Stirn. „Bitte sag mir, dass sie sich beruhigt und deine Mutter unterstützt haben.“
„Ganz im Gegenteil. Sie haben gesagt, dass sie sich für meine Mutter schämen. Sie wollten auch, dass sie abtreibt. Als sie sich weigerte, warfen meine Großeltern sie raus“, erzählte Ella mit grimmiger Miene. „Aber Mum gelang es, eine Wohnung zu finden, und als ich aufwuchs, hatte sie drei Jobs gleichzeitig, um uns beide ernähren zu können.“
„Deshalb war es dir so wichtig, einen sicheren Job zu haben.“
„Finanzielle Sicherheit.“ Sie nickte. „Und das war gut so. Backen konnte ich in meiner Freizeit. Ich hatte einfach unheimliches Glück, und jetzt habe ich die Chance, das zu tun, was mir wirklich Spaß macht, und davon zu leben.“ Sie blinzelte die aufsteigenden Tränen fort. „Ich wünschte nur, ich hätte das Geld gewonnen, als Mum noch lebte. Dann hätte ich auch ihr ein paar Träume erfüllen und sie verwöhnen können. Und ich hätte ihr eine Wohnung gekauft, ihr die Sicherheit gegeben, nach der sie sich immer sehnte.“
Seine Miene verfinsterte sich. „Musste dein Vater ihr keinen Unterhalt zahlen?“
„Mum hätte nichts von ihm angenommen, selbst wenn er das angeboten hätte. Ihr ging es nicht ums Geld.“ Sie verzog das Gesicht. „Als Kind dachte ich immer, ich hätte keinen Dad. Ich beneidete meine Freundinnen, deren Väter ihnen Schwimmen oder Radfahren beibrachten. Aber jetzt bin ich froh, dass er nie Teil meines Lebens war. Ich glaube nicht, dass er die Art Mensch ist, die ich kennen möchte. Nach ihrem Tod bin ich Mums Sachen durchgegangen …“
„Was hast du gefunden?“, fragte Rico leise.
„Sechsunddreißig Briefumschläge. Jeder enthielt ein Foto von mir an meinem Geburtstag oder an Weihnachten, aus jedem Jahr, seit ich geboren wurde. Und auf allen Umschlägen stand „Zurück an den Absender“. Ella versuchte, nicht mit den Zähnen zu knirschen. „Nie hat sie ihn in ihren Briefen um irgendetwas gebeten. Sie wollte nur, dass er weiß, wie es mir geht – aber er schickte alle Briefe ungeöffnet zurück.“
„Sechsunddreißig Briefe. Und du bist achtundzwanzig?“
„Ja.“
„Dann muss er ein paar behalten haben.“
Ella schüttelte den Kopf. „Mum hörte auf, ihm Briefe zu schicken, als ich achtzehn war. Jetzt weißt du also, warum ich keine Familie habe. Wahrscheinlich habe ich irgendwo da draußen Halbgeschwister – wer weiß, wie viele Frauen auf dieselben Lügen hereingefallen sind wie meine Mutter –, aber sie haben nie versucht, mich zu finden.“
„Waren deine Großeltern ein wenig besänftigt, als sie dich gesehen haben?“
„Nein. Mum
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