Mondschein, Kuesse Und Amore
sie Vertrauen zu Rico fasste. Vielleicht war er ja doch der Mann, den sie in Rom kennengelernt hatte. Rico, der Hotelchef, war eine öffentliche Person. Rico, der Fremdenführer, war der wahre Rico, den nicht jeder zu Gesicht bekam.
Am Sonntagmorgen um sechs Uhr klingelte Ellas Telefon. Es war Rico. „Raus aus den Federn, bellezza .“
„Das war’s dann wohl mit Ausschlafen“, brummte sie. „Warum müssen wir so früh aufstehen?“
„Weil wir heute an einen Ort fahren, der nicht auf unserer Liste steht. Ach, und du brauchst deinen Ausweis.“
„Meinen Ausweis?“ Schlaftrunken wie sie war, verstand sie nicht, worauf er hinauswollte. „Warum?“
„Vertrau mir einfach. Es wird dir gefallen. Ich hole dich in einer halben Stunde ab. Okay?“
Verwirrt duschte sie und zog sich an und war gerade fertig, da klingelte es an der Tür. Als das Taxi sie am Flughafen absetzte, runzelte sie die Stirn. „Wo wollen wir hin?“
„Zum Frühstück.“
„Wo wollen wir hin?“, wiederholte sie ihre Frage mit Blick auf die Anzeigetafeln.
„Das hilft dir auch nicht weiter, bellezza . Es ist kein planmäßiger Flug.“
Sie blinzelte. „Willst du mir etwa erzählen, du hast einen Privatjet?“
„Nein, er gehört einem Freund.“
Ihr Blick verengte sich. „So wie deine Wohnung in Rom einem Freund gehört hat?“
„Nein, er gehört wirklich einem Freund. Wie das Restaurant.“ Er breitete die Hände aus. „Wie es sich für einen reichen, verwöhnten Playboy gehört, haben einige meiner Freunde tolle Spielzeuge. Und wir teilen.“ Er lächelte. „Als Gegenleistung leihe ich Giuseppe mein Auto für einen Monat.“
Sie lachte. „Lass mich raten. Handelt es sich zufällig um einen italienischen Sportwagen?“
„Bin ich so berechenbar?“
„Allerdings“, scherzte sie. „Wo wollen wir denn nun hin?“
Er zuckte die Schultern. „Der Flug dauert etwa zweieinhalb Stunden.“
„Rico …“
„Lass dich einfach überraschen“, sagte er und küsste sie. „Ich glaube, es wird dir gefallen. Ich weiß, es ist ein bisschen dekadent, extra für einen Tag aufs europäische Festland zu fliegen, aber … warte es nur ab.“
Ella hatte keine Ahnung, wohin sie flogen – bis sie auf dem Wiener Flughafen landeten. Und dann bekam sie den Mund nicht wieder zu.
„Du hast mir in Rom erzählt, dass du herkommen wolltest“, sagte er lächelnd. „Ich nehme an, wegen der vielen Cafés. Und der Torten.“
„Ganz genau.“ Sie konnte es noch immer kaum fassen. „Rico, das ist mit Abstand die schönste Überraschung meines Lebens. Ich danke dir.“
„Ist mir eine Freude, bellezza .“ Er küsste sie.
Vom Flughafen fuhren sie mit der Bahn in die Stadt und dann mit der U-Bahn weiter zum Stephansdom mit seinem grünen und goldenen Zickzackmuster auf dem Dach. Von dort aus flanierten sie über die breiten Prachtstraßen, die von fünfstöckigen weißen und pastellfarbenen Gebäuden gesäumt waren.
„Komm mit. Wir haben noch etwas vor.“
„Was denn?“
„Das wirst du schon sehen.“ Rico hatte das Ganze offensichtlich genau geplant und führte sie zu einer der ältesten Konditoreien in Wien. Ella blickte fasziniert in die Glasvitrine mit mindestens fünfzig verschiedenen Torten und Unmengen von Pralinen.
„Komm mit. Das Café ist oben.“ Er dirigierte sie zur Treppe im hinteren Teil des Cafés.
„Wow, sieh nur der Kronleuchter“, schwärmte sie, als sie oben angekommen waren. „Es ist wunderschön hier – man fühlt sich gleich in eine andere Ära zurückversetzt.“
„Freut mich, dass es dir gefällt. Offenbar trinkt man hier Melange“, sagte er. „Und ich finde, dazu sollten wir ein Stück Torte probieren.“
„Wie soll man sich bei der Auswahl entscheiden?“, fragte Ella. „Aber da wir schon mal in Wien sind, werde ich wohl Sachertorte nehmen.“
Er küsste die empfindsame Stelle hinter ihrem Ohr. „Dafür gehen wir nachher ins Café Sacher. Du kannst dir also etwas anderes aussuchen.“
Schließlich entschied sie sich für die Esterházy-Torte. „Ich liebe Schichttorten“, sagte sie. „Wir hatten eine österreichische Aushilfe in unserem Buchhaltungsbüro, und die hat mich schon mit dem Kolibrikuchen bekannt gemacht.“
„Ich hoffe, er wird nicht aus Kolibris gemacht?“
„Nein. Es ist eine Art Karottenkuchen, nur mit tropischen Früchten und einer üppigen Frischkäsecreme.“ Sie sah ihn an. „Ich denke, er würde dir schmecken. Wenn du brav bist, backe ich so einen Kuchen für
Weitere Kostenlose Bücher