Mondschein, Kuesse Und Amore
und er ja nicht in die Fußstapfen seines Großvaters treten musste, sondern der Firma seinen eigenen Stempel aufdrücken konnte. Jetzt war er der Boss.
„Wie lange ist es her, dass du zuletzt hier warst?“, fragte er.
„Ich weiß nicht genau. Jahre. Aber als Kind habe ich es hier geliebt. Die Kronjuwelen, die Rüstung von Heinrich VIII. …“
„Was hat der Eisbär zu bedeuten“, fragte Rico und deutete auf die Skulptur.
„Früher befand sich hier eine Menagerie. Tatsächlich gibt es da eine Verbindung zu Rom, weil Friedrich II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Heinrich III. drei Leoparden schenkte, als er dessen Schwester Isabella heiratete. Das Ganze verselbstständigte sich, jedenfalls schenkte der norwegische König Heinrich einen Eisbären.“ Sie lächelte. „Meine Mum hat mir erzählt, dass der Eisbär an einer langen Leine gehalten wurde, sodass er in der Themse schwimmen und Fische fangen konnte. Und der König von Frankreich schickte Heinrich einen Elefanten. Offenbar kam er in einem Boot über die Themse. Mum und ich haben uns ein Lied über die Elefanten im Tower ausgedacht, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, wie es ging.“
Wie anders war seine eigene Kindheit gewesen. Er konnte sich nicht erinnern, dass seine Eltern je einen Ausflug mit ihm unternommen hatten, geschweige denn, ihm Geschichten erzählt oder sich mit ihm gemeinsam Lieder ausgedacht hätten wie Ellas Mutter. Materiell war Ellas Kindheit arm gewesen, aber so reich an Liebe, dass es alles andere wettmachte. Hätte er die Wahl gehabt, er hätte jederzeit Ellas Kindheit vorgezogen. Doch er konnte sich nicht vorstellen, dass seine Eltern überhaupt irgendjemanden außer sich selbst lieben konnten. Einander hatten sie jedenfalls nicht geliebt, und ihn schon gar nicht. Aber was kümmerte ihn das jetzt überhaupt noch. Er war erwachsen und längst darüber hinweg. Viele Menschen hatten es weit schlechter getroffen als er.
„Rico? Stimmt etwas nicht?“
Er zwang sich zu einem Lächeln. „Alles gut, bellezza . Was ist aus der Menagerie geworden?“
„Daraus wurde der Londoner Zoo, kurz bevor Viktoria Königin wurde.“
„Steht der Zoo auf unserer Liste?“
Sie lächelte ihn an. „Alles, was du willst.“ Beim Anblick ihres süßen, offenen Lächelns zerbarst etwas in ihm. So wie die Sonne die Einsamkeit seiner Kindheit dahinschmelzen ließ, machte allein Ellas Gegenwart seinen Tag heller. Und das war ebenso beruhigend wie beängstigend. Ella war etwas Besonderes. Er sollte so schnell wie möglich das Weite suchen, den Platz für jemand anderen räumen – jemanden, der sie verdiente. Der sie von ganzem Herzen lieben konnte.
Doch er war noch nicht bereit, sie gehen zu lassen. Noch nicht.
9. KAPITEL
Ella blickte auf das Display und runzelte die Stirn. Während der Arbeitszeit rief Rico sonst nie an. War etwas passiert?
„Rico?“
„Ella, bellezza , hast du deinen Terminkalender zur Hand?“
„Ja. Warum?“
„Ich möchte einen Termin mit dir vereinbaren.“
„Wir sehen uns doch heute Abend“, wunderte sie sich. „Warum willst du einen Termin mit mir vereinbaren?“
„Weil es bei dem Termin ums Geschäft geht, und heute Abend um …“ Er lachte. „Lass dich überraschen.“
Ein warmes Prickeln breitete sich in ihrem Körper aus. „Von was für einem Geschäft sprichst du?“, wollte sie wissen.
„Ein möglicher Auftrag. Eine Torte für eine Eröffnungsparty in einem Monat. Also, wo wollen wir uns treffen? In deiner Küche oder in meinem Büro?“
Erneut legte sich ihre Stirn in Falten. „Dein Büro ist in Rom.“
Er räusperte sich. „Ich meine, mein Londoner Büro.“
Dann fiel der Groschen. „Du hast das Hotel gekauft?“
„Japp. In vier Wochen wird das Fountain neu eröffnet. Hast du Zeit, eine Torte dafür zu backen?“
„Wahrscheinlich schon. Kommt auf die Größe an.“ Er lachte leise in sich hinein, und sie wurde rot. „Rico!“
„Das hast du gesagt, bellezza , nicht ich. Okay. Du willst also wissen, wie viele Gäste ich einlade und was für ein Design ich mir vorstelle.“
„Und welche Geschmacksrichtungen.“ Sie zögerte. „Ab zehn hätte ich Zeit, wenn wir uns hier bei mir treffen, halb elf, wenn wir uns bei dir im Büro treffen.“
„Sagen wir, um halb fünf bei dir“, sagte er. „Und, Ella – hier geht’s ums Geschäft, ich mache das nicht, um dir einen Gefallen zu tun.“
„Du holst also noch andere Angebote ein?“, fragte sie, ein wenig
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