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Mondscheingeflüster

Titel: Mondscheingeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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öffnete sie die Wagentür und stolperte hinaus. Hinter sich hörte sie Teds Stimme: »Was soll denn das nun? Komm sofort zurück! Verdammt noch mal, Kathrin, bleib stehen!«
    Seine Wagentür schlug zu, offenbar war er auch ausgestiegen. Sie hörte ihn kräftig und anhaltend amerikanisch fluchen. Kathrin tauchte zwischen den Büschen unter. Die Kälte, die sie vorhin kaum gespürt hatte, brannte nun schmerzhaft auf ihrer Haut, drang durch ihren Mantel und die dünnen Kleider und schien ihre Knochen zu umklammern. In der dünnen Schneeschicht, die den Boden bedeckte, weichten ihre Schuhe sofort auf, außerdem machten die hohen Absätze das Laufen auf so unebener Erde entsetzlich schwierig. Kathrin stolperte mehr als einmal, außerdem schlugen ihr Zweige und Äste ins Gesicht. Noch einmal hörte sie Teds Stimme: »Bleib sofort stehen! Du bist wahnsinnig, wenn du in den Park rennst! Kathrin, du kannst was erleben, wenn ich dich zwischen die Finger kriege!«
    Aber seine Stimme klang schon leiser, er lief in die falsche Richtung. Kathrin rannte einfach weiter, weg von der Straße und tiefer in den Park hinein. Wie totenstill und einsam es hier war! Sie war einmal mit ihrer Mutter durch den Central Park spaziert, am helllichten Tag, und er war voller Menschen gewesen, Jogger und Spaziergänger und Leute, die ihre Hunde ausführten. Jetzt jedoch sah sie niemanden. Sie musste die finsterste Ecke erwischt haben, denn hier standen nicht einmal Laternen, die ein wenig Licht gespendet hätten. Schattenhaft tauchten Bäume und Büsche aus der Dunkelheit auf, bedeckt mit einer feinen, pulvrigen Schicht aus Schnee.
    Schon nach kürzester Zeit hatte Kathrin jegliche Orientierung verloren. Sie wusste nicht mehr, aus welcher Richtung sie gekommen war noch in welche sie lief. Sie wusste, um zu ihrem Hotel zu gelangen, müsste sie den Central Park genau durchqueren, um auf der Ostseite wieder herauszukommen. Aber wo war Osten? Wenn sie wenigstens irgendeine Straße erreichen könnte, welche auch immer, Hauptsache, es wären Autos dort und Menschen. Ihre Zähne schlugen hörbar aufeinander vor Kälte und Furcht. Sie wäre jetzt sogar froh gewesen, Ted in die Arme zu laufen, obwohl er sie so abscheulich behandelt hatte und außer sich war vor Wut - nun, nachdem sie weggelaufen war, sicher noch mehr als vorher. Aber wenigstens wäre sie dann in Sicherheit.
    Sie stolperte und fiel hin, blieb ein paar Sekunden im nassen Schnee sitzen, um zu verschnaufen, und fing wieder an zu weinen. Sie würde nie mehr aus diesem schrecklichen Park herausfinden, jedenfalls nicht in dieser Nacht, und wenn sie nicht unter Räuber und Mörder fiele, würde sie erfrieren.
    »Lieber Gott, hilf mir«, jammerte sie leise.
    Sie wusste, sie durfte nicht hier sitzen bleiben, es war verlockend, aber es könnte tödlich sein. Also raffte sie sich auf, widerstand der Versuchung, die hochhackigen Schuhe von den schmerzenden Füßen zu streifen. Sie hatte von erfrorenen Zehen gelesen, von den Soldaten im Krieg, denen man den Fuß oder sogar das halbe Bein hatte abnehmen müssen. Nicht auszudenken, wenn ihr dasselbe zustieße.
    Kathrin irrte weiter umher, und bald hatte sie keine Ahnung mehr, wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Der Park wurde immer dunkler und bedrohlicher.
    Als sie wieder einmal keuchend stehen blieb, leicht zusammengekrümmt, denn ihre Seiten stachen schmerzhaft, meinte sie, Stimmen zu vernehmen. Lauschend hob sie den Kopf. Hatte sie schon Halluzinationen, oder waren da tatsächlich irgendwo Menschen in der Finsternis? Nein, sie irrte sich nicht. Da waren Menschen, und sie unterhielten sich. Jetzt lachte jemand. In ihrer Angst vor der Dunkelheit und gepeinigt von der eisigen Kälte, dachte Kathrin nicht darüber nach, dass Menschen um diese Zeit und in diesem Park nicht unbedingt eine Rettung seien, dass es möglicherweise besser wäre, sich vor ihnen zu verstecken, als zu ihnen hinzulaufen.
    Mit letzter Kraft rief sie: »Hallo! Hört ihr mich? Hört mich jemand?«
 

 
    Die Fremden hatten Taschenlampen bei sich, mit denen sie Kathrin direkt ins Gesicht leuchteten. Geblendet schloss sie die Augen.
    »Nicht«, sagte sie, »nicht ...«
    Endlich ließen sie die Lampen sinken. Kathrin öffnete die Augen wieder. Sie erkannte, dass die anderen im Halbkreis um sie herum standen, sieben Personen insgesamt, junge Leute, dick vermummelt in Parkas, Schals, Mützen. Sie froren mit Sicherheit weniger als Kathrin, aber sie sahen ziemlich abgerissen aus,

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