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Mondscheingeflüster

Titel: Mondscheingeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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er vor? Raue Hände griffen nach dem dünnen Goldkettchen, das sie am Hals trug.
    »Very nice!«
    »Wollen Sie es haben?«
    Wenn es das war, was sie wollten, dann sollten sie es bekommen. Vielleicht ließen sie sie dann gehen.
    »Ich gebe es Ihnen. You may get it!«
    Das eine Mädchen starrte gierig auf ihre Schuhe. Kathrin, die das bemerkte, schüttelte verzweifelt den Kopf.
    »Die kann ich Ihnen nicht geben. Wie soll ich nach
    Hause kommen? Bitte, ich brauche die Schuhe wirklich!«
    Ein Mann rempelte sie grob an. Kathrin wäre gestolpert, hätte der mit der Flasche sie nicht nach wie vor eisern festgehalten. Tränen schossen ihr in die Augen.
    »Lassen Sie mich doch los!«, bat sie flehentlich. »Ich habe Ihnen doch nichts getan!«
    Der Mann, der sie angerempelt hatte, nahm langsam seine Zigarette aus dem Mund. Er griff nach Kathrins anderer Hand und hielt die brennende Zigarette ganz nah über ihren Handrücken.
    Kathrin schrie laut auf. »Warum tun Sie das? Warum?«
    Der Moment war gekommen, den sie gefürchtet hatte, sie spürte es. Die jungen Leute lachten nicht mehr. Auf einmal erkannte sie Brutalität in ihren Gesichtern, war ein unheilvolles Flackern in ihren Augen. Kathrin war nicht mehr das »little girl from Germany«, über das sie sich so blendend amüsiert hatten. Sie fingen an, sie zu hassen - die Goldkette um ihren Hals, die feinen Kleider, die eleganten Schuhe. Elend, verängstigt und verfroren, wie sie war, gehörte sie dennoch zu den Menschen, die auf der sonnigen Seite des Daseins standen, sie gehörte zu den Ausbeutern, die alles im Überfluss besaßen. Genau in dem Augenblick, als sie ihr die Handtasche entrissen, wieherte in der Nähe ein Pferd.
    Alle hatten es gehört und erstarrten.
    »Shit!«, fluchte eines der Mädchen.
    Kathrin aber schrie aus voller Kehle: »Hilfe!«
    Da waren die Polizisten auch schon da. Berittene Polizisten mit großen Pferden. Sie hatten Pistolen, die sie auf die Gruppe gerichtet hielten. Ihre Stimmen klangen barsch. »What's the matter here?«
    Kathrin schluchzte auf vor Erleichterung. Eines der Pferde, das direkt neben ihr stehen geblieben war, stupste sie vorsichtig mit der Nase an. Es hatte eine samtweiche Schnauze und blies warmen Atem aus seinen Nüstern. Kathrin, die während ihrer Ferienaufenthalte auf der Eulenburg nie ganz ihre Angst vor Pferden losgeworden war, hätte dieses Tier nun am liebsten umarmt. Es war dunkelbraun, wie sie im gleißend hellen Licht der starken Taschenlampen erkannte, die die Polizisten mit sich führten. Dunkelbraun, aber mit einer schön gezeichneten Blesse und einer dichten schwarzen Mähne.
    Die sieben jungen Leute mussten sich umdrehen und die Hände über den Kopf halten. Ein Polizist tastete sie nach Waffen ab, der andere hielt sie mit seiner Pistole in Schach. Er hatte erkannt, dass Kathrin nicht zu ihnen gehörte, sondern sich in der Rolle des Opfers befand, und winkte sie zu sich heran.
    »What's your name?«
    »Kathrin. Kathrin Roland. From Germany.«
    »Oh ... Germany! Ich mag Germany. Ich war dort ... in der Army.«
    Der Polizist sprach Deutsch! Zwar mit starkem amerikanischen Akzent, aber immerhin, endlich jemand, der sie verstand!
    »Ich wohne im Plaza Hotel Ich habe mich hier im Park verlaufen, und dann traf ich diese Leute hier und fragte sie, ob sie mir den Weg zum Hotel zeigen können. Aber plötzlich waren sie ganz feindselig ... der dort«, sie wies auf einen Mann, »der hat meine Handtasche!«
    Der Mann musste die Tasche zurückgeben.
    »Sieh nach, ob etwas fehlt«, forderte der nette Polizist auf dem schönen Pferd Kathrin auf. Sie öffnete die Tasche, wühlte kurz darin herum. »Nein. Es fehlt nichts. Alles da.«
    Die Polizisten ließen sich die Ausweise der Jugendlichen zeigen. Offenbar war damit alles in Ordnung, und sie hatten auch sonst nichts finden können, keine Waffen, keine Drogen oder irgendetwas, wofür man sie hätte belangen können. Es schien den Polizisten leidzutun, sie laufen lassen zu müssen, aber sie hatten keine Handhabe gegen sie. Sie verwarnten sie - wegen Belästigung einer harmlosen Spaziergängerin - aber da sie Kathrin nicht wirklich etwas getan, sie auch nicht beraubt hatten, konnte man ihnen daraus keinen Strick drehen.
    »Get off!«, fuhr sie der Polizist, der sie abgetastet hatte, an, und sie machten sich wie der Wind aus dem Staub. Im Nu waren sie im Dickicht der Büsche untergetaucht, kein Schatten war mehr zu sehen, kein Laut zu hören.
    »Okay. Und du setzt dich jetzt vor

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