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Mondscheinjammer

Mondscheinjammer

Titel: Mondscheinjammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Hoehne
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ich die Nachttischlampe an und fragte mich, wovon ich eigentlich geweckt worden war?
    Ich lauschte in die Stille der Nacht hinein. Nichts, da war nichts. Oder doch? Ich setzte mich auf, als ich erneut ein Geräusch hörte. War das ein Schluchzen? Ganz eindeutig, jemand weinte! Schweren Herzens kroch ich aus dem gemütlichen Bett und schlüpfte in meine Jeans. Der hölzerne Boden fühlte sich kalt an unter meinen nackten Füßen.
    Behutsam öffnete ich die kräftige Holztür und horchte hinaus in den stockdunklen Flur. An seinem Ende schimmerte Licht. Es kam direkt aus der Küche.
    Bitte lass nicht noch etwas passiert sein! Bitte, bitte, betete ich im Stillen, während ich auf leisen Sohlen über die knarrenden Dielen schlich.
    Vorsichtig spähte ich in den großen Raum hinein und sah Sams Mutter an dem großen Tisch sitzen. Sie hatte den Kopf in eine Hand gestützt und schluchzte leise vor sich hin.
    Peinlich berührt, wandte ich mich ab und wollte gerade zurück in mein Zimmer huschen, als ich ihre Stimme hörte: "Lily?"
    Ich fühlte mich ertappt. Was war ich auch immer so neugierig? Sicher hielt mich Sams Mutter nun für eine ganz aufdringliche Kuh.
    "Komm doch bitte zu mir."
    Es nützte ja nichts. Ich nahm all meinen Mut zusammen und trat aus dem Schatten heraus und hinein in die große Küche.
    "Es tut mir leid, ich hatte ein Geräusch gehört", begann ich stockend.
    "Schon in Ordnung, setz dich doch bitte einen Moment zu mir." Sie wies auf den freien Stuhl neben sich.
    Mit einem beklemmenden Gefühl folgte ich ihrer Einladung. Die ganze Situation war mir schrecklich unangenehm, und ich wagte es kaum, sie anzusehen.
    Auf dem Tisch lagen Fotos und ein paar Bücher, die ziemlich alt aussahen. Einige enthielten, soweit ich erkennen konnte, handschriftliche Aufzeichnungen. Sie sahen aus wie Tagebücher.
    Mein Blick blieb an einem Foto von fünf lachenden Jungen hängen. Ein weiteres zeigte einen jungen Mann, der Sam unglaublich ähnlich sah.
    "Das ist Jordan." Sie war meinem Blick gefolgt. "Mein Jüngster." Sie presste sich ein Tuch vor den Mund, und ich tätschelte ein wenig steif ihren Arm. Ich war nicht gut in so was. Überhaupt nicht gut. Eine Welle der Hilflosigkeit schwappte über mich hinweg. Wie sollte man auch jemanden trösten, der so einen Verlust erlitten hatte?
    "Es tut mir leid, dass…" Sie blickte beschämt zu Boden, doch ich schüttelte nur den Kopf. "Mir tut es leid, dass ich Ihre Privatsphäre störe."
    "Nein, nein, es ist schön, dich hier zu haben. Seit Natalie wieder bei ihren Eltern eingezogen ist, fühle ich mich oft sehr allein." Sie verzog den Mund zu einem Lächeln, doch in ihrem Schmerz sah das Ganze wie eine Grimasse aus.
    "Sind Daniel und Gabriel nicht verheiratet?", fragte ich.
    "Daniels Frau ist gerade zu Besuch bei ihren Verwandten und Gabriel lebt getrennt. Mein Mittlerer, David, hat uns schon vor langer Zeit verlassen. Er ist in Los Angeles, das Landleben war einfach nichts für ihn." Sie strich liebevoll über das Foto mit ihren Söhnen. "Warst du schon mal in Los Angeles, Lily?"
    Ich schüttelte den Kopf.
    "Er will bald zurückkommen. Aber ich habe ihm gesagt, er soll bloß dort bleiben. Hier ist er… nicht sicher." Sie biss sich auf die Lippen.
    Ich nahm all meinen Mut zusammen: "Wegen Benjamin Butler?"
    Überrascht hob sie den Kopf, dann nickte sie langsam. "Hat Sam?"
    Ich schüttelte den Kopf. "Sam redet gar nicht darüber."
    "Ja, so ist Sam. Du musst wissen, Jordan und er standen sich sehr nah. Es ist ein Schock, besonders für ihn."
    Das hatte ich nicht gewusst.
    "Mrs. Hudson", begann ich.
    "Nelly", unter brach sie mich freundlich. "Nenn mich bitte Nelly."
    "Nelly, es muss doch eine Möglichkeit geben, das Ganze zu beenden."
    "Jeder Nacht sage ich mir das, jede Nacht sitze ich hier, lese in den Tagebüchern meiner Mutter und frage mich, ob es damals nicht besser gewesen wäre, mich gehen zu lassen."
    "Wie meinen Sie das?" Ich setzte mich aufrecht und betrachtete interessiert die vergilbten kleinen Bücher, die feinsäuberlich aufgereiht vor uns auf dem Tisch lagen.
    "Weißt du, wer Benjamin war?"
    "Ich denke schon. Er lebte mit seiner Mutter auf der Farm Ihres Vaters, richtig?"
    "Ich mochte ihn sehr. Viel zu sehr. Als mein Vater uns eines Tages in der Scheune erwischte…" Sie wurde unvermittelt rot. "Ich hatte ihn noch nie zuvor so wütend gesehen." Sie wischte sich mit einem Tuch über die feuchten Augen. "Er war ein lieber Junge, doch Vater schickte ihn fort. Einfach

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