Mondscheinjammer
sollen, aber das tat er nicht."
"Warum?", fragten Vanessa und ich fast gleichzeitig. Der Wagen hoppelte über den unebenen Weg und zu meiner Erleichterung tauchte bereits die Hudson-Ranch am Horizont auf.
"Weil er wusste, was meine Tante für ihn empfand."
Wir schwiegen betreten.
"Ich habe in den letzten Wochen viele Gespräche mit meinem Großvater geführt. Er war immer ein sehr strenger und wortkarger Mann gewesen. Als Kind hatte ich regelrecht Angst vor ihm gehabt, aber nun, so kurz vor seinem Ende, schien er sich noch einmal erleichtern zu wollen. Er hätte mir die Wahrheit gesagt, aber James Carter hatte nie eine Affäre mit Benjamins Mutter gehabt. Sie hatte ihm nur leidgetan." Xander ballte die Hände zu Fäusten.
"Und warum fühlt Benjamin sich dann betrogen?"
"Weil er den Hengst damals verkauft hatte, um sich mit meiner Tante verloben zu können. Mittellos wie er war, nahm er an, mein Großvater würde ihnen nie seinen Segen geben." Er seufzte. "Da hatte er sicher nicht ganz Unrecht. Aber ihn zu bestehlen, war auch nicht unbedingt die beste Idee gewesen."
"Wenn man jung und verliebt ist, macht man dumme Sachen", sagte ich gedankenverloren.
"Oh ja, und so kam er zurück und forderte meinen Großvater erneut auf, sie frei zu geben. Aber er jagte ihn abermals vom Hof. Als er dann noch einmal wiederkam, hatte er sich verändert. Er war in Seattle von einer räudigen Gruppe Vampiren überfallen worden und mit ihnen kam er zurück nach Parkerville. Er machte meiner Tante schöne Augen. Doch im Grunde genommen, wollte er sich nur rächen. In seiner Wut tötete er, wer auch immer ihm in die Quere kam oder verwandelte ihn, um noch mehr Schrecken zu verbreiten."
"Wieso hast du mir das nicht schon vorher erzählt?", fragte ich etwas pikiert.
"Weil ich das alles erst gestern Abend erfahren habe. Ich kannte Teile der Geschichte, doch gestern Nacht hat sich mein Großvater die ganze Geschichte von der Seele geredet. Ich war bei ihm, als er starb. Als einziger."
"Wo ist er jetzt?" Wenn Xander der Einzige der Familie Carter war, der sich noch in Parkerville aufhielt, lag sein Großvater wahrscheinlich noch immer in seinem Bett.
"Zuhause." Er sah mich nicht an, doch ich konnte sehen, wie nah ihm das alles ging.
"Es ist noch immer ziemlich warm", Vanessa rümpfte angewidert die Nase.
Ich ahnte, welche Bilder ihr gerade durch den Kopf gingen, doch Xander zuckte nur die Schultern.
"Das ist unser kleinstes Problem, schätze ich mal."
Wie Recht er doch hatte!
Die Hudson-Ranch wirkte seltsam ausgestorben. Kein Laut war zu hören, als wir den Wagen in der Einfahrt parkten und ausstiegen. Wo waren die Pferde?
"Wir brauchen einen Plan." Xander packte mich am Arm.
"Ich muss Sam finden!" Entschieden schüttelte ich ihn ab.
"Und mitten in dein Unglück rennen? Hier stimmt was nicht, Lily. Das spüre nicht nur ich, oder?"
"Und was sollen wir machen? Warten, bis er alle umgebracht hat?", fragte ich aufbrausend.
Er schwieg betreten.
Hoffentlich war Sam nicht im Haus. Zu meiner Erleichterung konnte ich seinen Pickup nirgendwo entdecken.
"Fühlst du dich irgendwie… böse?", fragte Vanessa unvermittelt.
Xander hob fragend eine Augenbraue, dann verstand er. "Nein, alles wie immer. Vielleicht bin ich doch ein netter Blutsauger."
Sie lächelten sich an, doch mir war ganz und gar nicht zum Scherzen zumute.
"Was machen wir denn jetzt? Wir können ja schlecht mit Knoblauch werfen", bemerkte Vanessa.
"Wie besiegt man denn nun eigentlich einen Vampir? Überall steht was anderes. Ich habe dutzende Bücher auf den Kopf gestellt. Ich tippe mal auf Sonnenlicht und Feuer."
"Kopfabhacken soll auch was bringen." Xander verzog das Gesicht.
"Toll, wo wir alle so gut mit dem Schwert umgehen können", gab ich genervt zurück. Meine Hände waren feucht vor Aufregung.
Ich wusste nicht, was hier gerade vor sich ging. War Benjamin schon auf dem Weg oder noch schlimmer, war er bereits im Haus? Oder waren die Bewohner vielleicht auch geflohen? Wer wusste bereits, dass der Pakt inzwischen erloschen war?
Als ich die Ranch vor einige Stunden verlassen hatte, waren alle routiniert mit ihrer Arbeit beschäftigt gewesen. Es gab nicht die kleinsten Anzeichen von Flucht. Doch wo hatten sie die Tiere hingebracht? Die Stille war richtig unheimlich.
"Ich denke mal, auf den Trick mit der brennenden Scheune wird er nicht mehr reinfallen, was?" Zaghaft sah Vanessa sich um. Es tat mir mit einem Mal leid, dass ich sie in die ganze Sache mit
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