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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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hinterließ. Und mit jeder Stunde, die verging, hatte ich immer weniger das Gefühl, eine Heldin zu sein. Um Mitternacht ging ich ins Bett mit der Gewissheit, mich total blamiert und zum völligen Affen gemacht zu haben.
    Erst am nächsten Vormittag rief Jo mich zurück. Ich war gerade im Studio und versuchte, einem Resopal-Beistelltisch («Ihr funktionaler Helfer in Haushalt und Büro») fotografisch einen Hauch von Würde zu verleihen. Von meiner Würde war bis dahin nichts mehr übrig geblieben.
    «Cora, es ist da was Komisches passiert.» Jo klang seltsam verdruckst. Sonst gar nicht ihre Art.
    «Was’n los?» Ich hatte im Moment wirklich genug eigene Probleme. Akuter Selbstwertverlust, begleitet von rasanter Beinverkürzung.
    «Als ich gestern Abend nach Hause kam, hatte ich eine Nachricht auf Band.»
    Die Glückliche. Ich nicht.
    «Irgendein Daniel. Will sich mit mir verabreden. Kenne den Mann gar nicht.»
    Was? Wie? Wieso? Daniel? Mein Dr.   Hofmann? Ruft meine beste Freundin an? Ich fiel fast um, wo war der Boden unter meinen Füßen? Unglaublich harter Schicksalsschlag.
    Ich bemühte mich um Contenance. Ich durfte JosGlück nicht im Wege stehen. Ganz klar. Da hatte ein Mann meine Nummer auf dem Schreibtisch liegen und sich stattdessen die Mühe gemacht, Jos Privatnummer, die über Auskunft gar nicht zu kriegen ist, herauszufinden.
    Ich fühlte mich unschön an unsere Jugendzeit erinnert. Wer war in unseren Philosophielehrer verliebt gewesen? Ich. Wer hatte mit unserem Philosophielehrer geschlafen? Jo!
    Aber das Schlimmste war die Sache mit Jörg gewesen. Ich hatte diesen Jungen angebetet. Ich war dreizehn, er siebzehn und nur zwei Klassen über mir, weil er zweimal sitzengeblieben war. Irgendwann rief er mich an – mein Vater war zum Glück nicht zu Hause – und fragte, ob wir uns nicht kurz treffen könnten. Ich schwebte zum Treffpunkt, sah freudig meiner Entjungferung entgegen, und was tat Jörg? Jörg überreichte mir einen Brief mit der Bitte, ihn an Jo weiterzuleiten.
    Was besonders demütigend gewesen war: Jo hatte überhaupt kein Interesse an Jörg. Das empfand ich als die schlimmste Kränkung, dass Jo es sich erlauben konnte, einen Jungen abzuweisen, den ich nicht haben konnte.
    Die Zeiten hatten sich nicht geändert. Wie hatte ich nur annehmen können, ein Mann, der mich neben meiner strahlend schönen, blonden Johanna gesehen hatte, könne sich von ihr unbeeindruckt zeigen und sich für mich interessieren? Bitter. Katastrophe. Glasklare Niederlage. Ich hatte nicht nur gegen Ute Koszlowski, nein, ich hatte gegen meine beste Freundin verloren.
    Kann eine Frau mit so einer Schande weiterleben?
    Ich denke nein.
    Ich rang um Fassung.
    «Bist du zu Hause? Ja? Dann spiel mir doch mal die Nachricht vor.» Igitt. Wie klein ich war. Wie masochistischveranlagt. Streute mir selbst Salz in die Wunde. Aber ich wollte nicht, dass Jo Verdacht schöpfte. Meine Zukunft war soeben in sich zusammengefallen, jetzt musste ich Größe zeigen und meiner Freundin mein zerbrochenes Glück in die Hände legen.
    «Augenblick.» Ich hörte, wie Jo ihr Band zurückspulte. «Jetzt kommt’s.»
    «Guten Tag. Sie haben die richtige Nummer, aber den falschen Zeitpunkt gewählt. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Signalton. Peep.»
    «Ja, äh, guten Abend. Daniel Hofmann hier. Ich würde gerne Ihre guten Seiten kennenlernen. Rufen Sie mich an, wenn Sie tatsächlich welche haben. Meine Nummer ist 32 06 75.»
    Was? Wie? Wieso? Gute Seiten? Das habe ich doch? Das ist doch? Wie kann das? Hä?
    «Was sagst du, Cora? Woher hat der Kerl überhaupt meine Nummer?»
    Ja, woher? Und wieso überhaupt? Und   …? In diesem Moment begriff ich. Und brach in hysterisches Freudengeheul aus.
    «Hast du noch alle beisammen? Cora? Kannst du mir mal erklären, was hier los ist?»
    Als ich nach etlichen Minuten mädchenhaftestem Gekreische wieder in der Lage war, mich zivilisiert mitzuteilen, berichtete ich Jo von meiner Begegnung mit Dr.   Daniel Hofmann. Von meiner Demütigung. Von meiner Beinverkürzung. Von meiner Heldentat. Und dass ich in meiner Aufregung nicht meine, sondern Jos Nummer auf das Rezept geschrieben hatte.
    Eine verzeihliche Fehlleistung, wie ich finde. Schließlich rufe ich mich selbst nie an. Und Jos Nummer wähle ich ungefähr fünfmal am Tag und könnte sie ohne Zögern aufsagen, selbst wenn ich gerade in den Presswehen läge.
    Ja! Ja! Jaaa! Der Sieg war mein. Ute Carmen Koszlowski, mach dich auf was gefasst! Cora

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