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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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noch zu arbeiten.»
    «So so. Was macht dein Schluckauf?»
    «Was?»
    «Was macht dein Schluckauf? Ist er weg?»
    Ich hörte angestrengt in mich hinein. Kein Schluckauf. Nichts. Nur gähnende, schmerzhafte Leere in meinem Inneren.
    «Ist weg.»
    «Siehst du. Das funktioniert immer.»
    «Was?»
    «Man muss den Schluckauf-Patienten zutiefst erschrecken.»
    «Oh. Ja. Tatsächlich.»
    Leider fiel mir nicht mehr ein. Ich überlegte, ob ich meinen Schluckauf simulieren sollte, um mich weniger bloßgestellt zu fühlen, ließ es aber. Habe in der Simulation von Schluckäufen keine Erfahrung. Mein Fachgebiet ist die naturgetreue Nachbildung von Interesse, Mitleid und Orgasmen.
     
    Ich glaube, dass das Essen, das Daniel gekocht hatte, ganz vorzüglich war. Zumindest behauptete ich das. Irgendwas mit Nudeln. Vielleicht auch Reis. Oder Kartoffeln.
    Ich glaube, wir haben uns auch recht nett unterhalten. Über die Vorzüge von Ceranfeldern. Vielleicht auch über Armbanduhren. Oder über den Palästinenserkonflikt. Ich glaube, ich habe total entspannt und lebenslustig gewirkt, obschon ich mich ständig fragte, ob
    a) meine Hochsteckfrisur gerade dabei war, sich in eine ehemalige Hochsteckfrisur zu verwandeln,
    b) sich Essensreste zwischen meinen Schneidezähnen platziert haben könnten,
    c) mein helles Kleid womöglich im nächsten Moment eine verhängnisvolle Affäre mit der Tomatensoße anfangen würde.
    Ich war so damit beschäftigt, mich zu fragen, ob ich ihm gefalle, dass ich völlig vergaß, mich zu fragen, ob er mir gefällt.
    Sein Wohnzimmer, daran kann ich mich erinnern, gefiel mir gut. Nach dem Essen hatte Daniel mich mit der Bemerkung «Wir haben noch eine Verabredung mit Miss Marple» in Richtung Sofa manövriert. Ein riesengroßes, mit dunklem Samt bezogenes Möbel.
    Ich weiß noch, dass ich es mit geübtem Blick blitzschnell auf verräterische Flecken hin untersuchte. Weil zum Beispiel Sperma aus Samt total schlecht rausgeht. Deswegen habe ich mich ja auch bei meinem Sofa für den Zebra-Bezug entschieden. Zebra-Bezüge behalten ihre Geheimnisse zuverlässig für sich. Daniels Sofa war fleckenfrei.
    Wobei das auch nicht unbedingt was zu sagen hat. Ich kannte mal einen, ein ekeliger Typ, an den ich nur ungern zurückdenke, der hat seine Sofakissen immer umgedreht. Die saubere Seite war für seine Freundinreserviert – er war schon über fünf Jahre mit ihr zusammen, da macht ein Paar keine Flecken mehr. Und die weniger saubere Seite mussten sich seine zwei bis vier Affären teilen.
    Ich ließ mich nieder und betrachtete den Raum. Alles war auf sehr lässige Weise unaufgeräumt. So wie auf den Fotos in Wohnzeitschriften: Hier und da liegt eine ‹Wallpaper› rum oder ein Bildband über das Frühwerk von Picasso, oder eine weiße Patchworkdecke hängt leger über einer Sessellehne.
    Solche Dekorationen überleben nicht lange, wenn ich einen Raum betrete. Chaos ist mein ständiger Begleiter. Und so wurde es auch in Daniel Hofmanns Wohnzimmer schnell gemütlich. Ich brauche einfach einige Dinge in meinem näheren Umfeld, um mich wohl zu fühlen: Aschenbecher. Zigaretten. Feuerzeug. Weinglas. Im edelsten Fall, der hier eintrat, die dazugehörige Flasche in einem Sektkühler. Schokolade, Plätzchen oder Chipsletten.
    Daniel sorgte für mein Wohl, und schon war aus diesemRaum ein Zimmer geworden, das nicht mehr ohne weiteres von einem ‹Schöner Wohnen›-Fotografen abgelichtet werden konnte.
     
    Ich habe eigentlich noch nie einen Annäherungsversuch erlebt, der nicht irgendwie auf rührende Art unbeholfen war. Meist tun Männer eine ganze, lange Weile gar nichts, um dann plötzlich, in einem Akt der Verzweiflung, alles auf einmal zu machen.
    Es erleichterte mich irgendwie, dass dieser göttliche Mediziner keine Ausnahme war. Miss Marple hatte gerade die Leiche von Cora Landscanate entdeckt, mit einer Stricknadel in ihrem Schaukelstuhl niedergemeuchelt, als Daniel seine Hand auf meinen Nacken legte, der dank Jos Haarnadeln völlig frei lag.
    «Was machen die Verspannungen? Trägst du auch deine Einlagen?»
    Sehr, sehr witzig. Ich beschloss, diese diskriminierende Bemerkung zu übergehen. Neigte stattdessen devot mein Haupt ein wenig zur Seite. Habe in einer Frauenzeitschrift gelesen, dass das Zeigen des weiblichen Halses bei Männern Urinstinkte hervorruft.
    Es funktionierte. ‹Cosmopolitan› sei Dank! Daniel zog meinen Kopf mit einer außerordentlich urinstinkthaften Geste an sein Gesicht. Es war blöd, dass er bei

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