Mondspiel: Novelle (German Edition)
Rückzugsort, wenn Dillon auf Tour war und man sich in den anderen Räumen nicht mehr zu Hause fühlte.
Trevor nickte. »Tara und ich haben gerade mit Paul darüber gesprochen. Hier fühlt man sich wie zu Hause. Ich habe fast damit gerechnet, den Schrank zu finden, in den ich meinen Namen geritzt hatte.«
Paul nahm Jessica am Ellbogen und bedeutete ihr mit dem Kopf, ihm aus der Küche zu folgen. »Du solltest ihn nicht zu lange warten lassen, Jessie.«
Mit aufgesetzter Fröhlichkeit winkte sie den Zwillingen zu, als sie Paul widerstrebend folgte und ihr flau in der Magengrube wurde. Dillon. Nach all der Zeit würde
sie ihm gegenübertreten. »Wie meintest du das, alles alte Bekannte? Wer ist hier, Paul?«
»Die Band. Dillon kann zwar nicht mehr so spielen wie früher, aber er komponiert noch. Du weißt ja, wie sehr ihm die Musik am Herzen liegt. Jemand hatte die Idee, ein paar Songs in seinem Studio aufzunehmen. Er hat sich natürlich ein supertolles Studio eingerichtet. Die Akustik ist perfekt, er hat die neuesten Geräte angeschafft, und wer könnte einem Song von Dillon Wentworth widerstehen? «
»Er komponiert wieder?« Freude wogte in ihr auf. »Das ist ja wunderbar, genau das, was er braucht. Er ist viel zu lange allein gewesen.«
Auf der Treppe passte Paul seinen Schritt dem ihren an. »Es fällt ihm schwer, Menschen um sich zu haben. Er will nicht gesehen werden. Und seine aufbrausende Art … Er ist es gewohnt, seinen Willen zu bekommen, Jessica. Er ist nicht mehr der Dillon, den du kennst.«
Etwas in seiner Stimme, ließ in ihrem Kopf die Alarmglocken schrillen. Sie warf ihm einen Seitenblick zu. »Das erwarte ich auch nicht. Ich weiß, dass du mich vertreiben willst und versuchst, ihn zu beschützen, aber Trevor und Tara brauchen einen Vater. Es mag ja sein, dass er viel durchgemacht hat, aber das gilt auch für die beiden. Sie haben ihr Zuhause und ihre Eltern verloren. Vivian war kein großer Verlust, sie kannten sie kaum und das, woran sie sich erinnern, ist nicht erfreulich, aber Dillon hat sie im Stich gelassen. Egal, wie du es drehst und wendest – er hat sich zurückgezogen, und sie waren auf sich allein gestellt. «
Paul blieb im ersten Stock stehen und blickte die Treppe hinauf. »Er ist durch die Hölle gegangen. Über ein
Jahr im Krankenhaus, damit sie alles Erdenkliche für seine Verbrennungen tun konnten, all diese Operationen, die Hauttransplantationen und die Reporter, die ihm ständig im Nacken saßen. Und natürlich die Gerichtsverhandlung. Er ist so bandagiert wie eine verfluchte Mumie vor Gericht erschienen. Es war der reinste Medienrummel. Fernsehkameras wurden ihm ins Gesicht gehalten, und die Leute haben ihn angestarrt wie ein Monster. Sie wollten glauben, er hätte Vivian und ihren Geliebten ermordet. Sie wollten, dass er schuldig ist. Vivian war nicht die Einzige, die in jener Nacht gestorben ist. Sieben Menschen sind bei diesem Brand ums Leben gekommen. Sie haben ihn als Ungeheuer hingestellt.«
»Ich war hier«, rief ihm Jessica leise ins Gedächtnis zurück, während ihr Magen gegen die Erinnerungen aufbegehrte. »Ich bin gemeinsam mit zwei Fünfjährigen auf Händen und Knien durch das Haus gekrochen, Paul. Ich habe sie aus einem Fenster gestoßen und bin ihnen gefolgt. Tara ist seitlich an der Klippe hinuntergerollt und wäre beinah im Meer ertrunken. Ich konnte sie nicht aus dem Wasser ziehen und es rechtzeitig auf die andere Seite des Hauses schaffen, um Dillon Bescheid zu geben, dass sie in Sicherheit sind.« Sie war so erschöpft gewesen, nachdem sie darum gekämpft hatte, Tara zu retten, die sich kaum noch an der Wasseroberfläche hatte halten können. Sie hatte kostbare Zeit damit vergeudet, mit den Kindern am Strand zu liegen, mit rasendem Herzen und brennender Lunge. Währenddessen hatte sich Dillon von den anderen losgerissen und sich seinen Weg in das brennende Haus freigekämpft, um die Kinder zu retten. Sie presste eine Hand an den Kopf. »Glaubst du etwa, ich denke nicht jeden einzelnen Tag meines Lebens daran?
Was hätte ich tun sollen? Ich kann es nicht ändern, ich kann die Zeit nicht zurückdrehen.« Eine Woge von Schuld ergriff sie, bis sie sich ganz elend fühlte.
»Jessica.« Dillons Stimme wehte die Treppe herunter. Niemand hatte eine solche Stimme wie Dillon Wentworth. Wie er ihren Namen sagte, beschwor nächtliche Fantasien herauf, lebhafte Eindrücke von schwarzem Samt, der über entblößte Haut streift. Mit dieser Stimme konnte er
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