Mondsplitter
Tunnel.
Sie zogen gleichmäßig weiter ihre Bahn durch den belebten Himmel und hielten eine Beschleunigung von einem g.
»Mikrobus, hier Skyport.« Die Stimme knackte in Tonys Kopfhörer. »Hören Sie mich?«
»Wir empfangen Sie, Skyport. Wir sind noch da.«
»Wie sieht Ihr Status aus?«
Tony gab durch, was er wußte: Treibstoffverbrauch, Schäden, Passagiere. »Keine Verluste.«
»Mikro, wir vermissen einen Namen.«
»Jack Chandler. Er hat es nicht geschafft.«
»Was ist passiert?«
»Ein Herzanfall, glauben wir. Starb, kurz bevor die Passagiere an Bord kommen sollten. Wir haben ihn auf der Mondbasis zurückgelassen.«
Die Verbindung brach ab.
»Wiederholen Sie, Skyport. Hören Sie mich?« Aber nur Störungen kamen herein.
Etwas stieß wieder an die Pilotenkanzel und verschwand zu schnell, um es zu sehen. Es ließ einen unregelmäßigen Stern zurück, nicht unähnlich der Spur, die ein herumfliegender Stein auf einer Windschutzscheibe zurücklassen würde.
»Sind wir immer noch okay?« fragte Tony.
Die Gefahr bestand darin, daß die Kanzel einem Luftdruck von 6,6 Kilo pro Quadratzoll standhalten mußte. Die drei Decks – Fracht-, Passagier- und Flugdeck – waren getrennt versiegelt. Falls also das Schlimmste passierte und die Pilotenkanzel weggerissen wurde, verlor der Mikro wenigstens nur die Piloten.
Nur die Piloten.
Saber tastete den Stern mit dem Zeigefinger ab. Sie drückte sachte dagegen und zog die einzelnen Linien nach. »Ich denke, es ist okay«, sagte sie.
Mikrobus, Frachtdeck, 22 Uhr 41
Wie Saber steckte Bigfoot noch in seinem Druckanzug. Zur Vorsicht hatte er den Helm wieder aufgesetzt, aber ihm wurde schwindlig, und er konnte ihn gerade rechtzeitig absetzen, ehe er sich übergab. Er hatte sich mit dem Gürtel an der Leiter festgebunden, und obwohl die Startbeschleunigung nicht annähernd so anstrengend war wie bei einem Start von der Erde, blieb sie doch ungemütlich und hatte bei ihm zu Rippenprellungen und zu Schulterschmerzen geführt, die, wie er vermutete, auf ein ausgerenktes Gelenk zurückgingen.
Das C- oder Frachtdeck war ein beengter Raum. Er hatte keine Fenster, und er schlingerte und sackte ab und drehte sich, bis in Bigfoots Kopf alles rotierte. Er wünschte sich, er wäre schneller gewesen und hätte die Passagierkabine erreicht.
Aber es hätte auch schlimmer kommen können: Da sie beschleunigten, war das Erbrochene aufs Deck gesunken und schwebte nicht durch die Luft. Er lächelte und fühlte sich etwas besser.
Einstufen-Raumfähre Rom, Passagierkabine, 145.000 Kilometer von Luna, 22 Uhr 42
Rick beherrschte seine Angst mit dem simplen Trick, auf den Anblick ihrer Ursache zu verzichten. In diesem Fall bestand seine Technik darin, die Jalousie herunterzuziehen und sich auf andere Gedanken zu konzentrieren. Besonders darauf, wie gut bislang alles gelaufen war. Der Vizepräsident hatte sich gut gehalten, und falls sie alle heil durchkamen, war mit einer entsprechenden Belohnung zu rechnen. Für Rick bestände dieser Lohn nicht einfach darin, im Herbst das Weiße Haus zu erobern, sondern darin, den Wahlkampf eines echten Helden zu leiten. Charlie Haskell, vor einer Woche noch in der eigenen Partei weit abgeschlagen, würde sich als unbesiegbar erweisen.
Haskell war vom Mond weggekommen. Er flog in einem Bus, um Gottes willen, und obendrein noch in einem kleinen Bus! Mit ein bißchen Glück wurde bald die Funkverbindung wiederhergestellt, spielte Morley Charlie weiter die Bälle zu und begrüßten Blaskapellen den Vizepräsidenten, wenn er zu Hause eintraf.
Rick sonnte sich in der Erwartung, angemessen bescheidene Stellungnahmen für die Nachrichtensender auszutüfteln. Die Formulierungen gingen ihm schon durch den Kopf: Wir hatten Glück, mit Wie-hieß-er-doch-gleich zu fliegen, der ein Mordspilot ist und dem wir unser Leben verdanken. Und: Wir haben auf der Mondbasis zweifellos einen schweren Verlust erlitten. Aber niemand ist umgekommen, und das ist es, was zählt. Oder: Ja, wir haben einige Menschen verloren, und ich möchte Sie bitten, gemeinsam mit mir eine Schweigeminute für die tapferen Helden einzulegen, die es gewagt haben, die Hand nach der Zukunft auszustrecken …
Charlie war gut bei so was, hatte ein Talent dafür. Wahrscheinlich, weil er daran glaubte. Es war das Geheimnis seines Erfolges. Er war naiv, wie alle wußten, wie sogar er wußte, aber das machte nichts. All das gehörte zu seinem Charme. Es war das, was die Wähler
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