Mondsplitter

Titel: Mondsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt

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im roten Bereich«, sagte sie.
    Er konnte nicht abschalten. Der Mikrobus mußte zwei Komma vier Kilometer pro Sekunde erreichen, um nicht auf die Oberfläche zurückzusinken. Sie hatten inzwischen auf über zwei Komma null beschleunigt. Tony verfolgte mit, wie die Geschwindigkeit anstieg, ohne zu wissen, ob noch eine Oberfläche vorhanden war, auf die er zurücksinken konnte, und vermutete gleichzeitig, daß er auf jeden Fall von der Detonation mitgerissen würde, egal was er tat.
    Zwei Komma zwei.
    Die Sturm klapperte und knallte und tobte am Schiffsrumpf.
    Tony mußte die Energie abschalten, sobald er Fluchtgeschwindigkeit erreichte. Oder er riskierte, das Triebwerk und womöglich das Schiff zu verlieren.
    »Tony, wir übertreiben es.«
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte er. »In solche Dinge ist meist ein gewisser Spielraum eingebaut.«
    Zwei Komma drei.
    Rote Lampen blinkten überall auf der Statustafel.
    Zwei Komma vier. Tony gab noch eine Minute zu und schaltete dann das Triebwerk aus.
    Sie flogen jetzt in relativer Stille, lauschten dem Sturm, wie er an den Rumpf hämmerte, dem Gejammer der Statusanzeigen, dem elektronischen Gurgeln der Instrumente.
    Saber nahm das Mikrophon zur Hand. »Alle okay da unten?«
    Evelyn antwortete: »Heil und ganz.«
    »Gut. Bleiben Sie dabei. Wir wissen, daß es laut ist, aber wir halten uns gut.« Sie erklärte, warum sie das Triebwerk abgeschaltet hatten. »Aber wir sind weiter in Fahrt. Wir zünden in ein paar Minuten und beschleunigen wieder.«
    In diesem Augenblick fiel die Flammenhölle unter sie zurück, und der Mikrobus stieg über großen, dunklen, brodelnden Wolken auf. Ein Strom aus Licht platzte aus einer davon hervor und wölbte sich elegant durch Tonys Blickfeld.
    Dann war er draußen zwischen den Sternen. Blau und heiter schwebte die Erde fast direkt über ihm.
    Saber seufzte glücklich.
    »Zu früh«, sagte er.
    Um das zu unterstreichen, wirbelte eine Felsplatte von der Größe eines Lieferwagens aus einer dunklen Wolke hervor und riß eine Notantenne ab. Sie hätte noch mehr angerichtet, aber Tony reagierte rasch und drehte den Bus aus der Schußlinie.


Einstufen-Raumfähre Arlington, Flugdeck, 20.000 Kilometer von Luna, 22 Uhr 36

    Der vordere Rand der Explosion breitete sich mit fast dreihundert Kilometern pro Sekunde aus. Zwei weitere Raumschiffe waren in seiner Bahn, die Arlington, etwas über eine Stunde unterwegs, und die Rom, die einen Vorsprung von etwa sechs Stunden hatte.
    George Culver konnte nicht viel tun, um seine Maschine zu schützen. Er hatte soviel Distanz wie nur möglich zwischen sie und den Mond gebracht. Die Stummeltragflächen, die die Fähre beim Atmosphärenflug trugen, waren eingefahren, die Antennen eingezogen, die Passagiere vor anstürmenden Turbulenzen gewarnt.
    In diesem Fall war der Begriff leicht untertrieben. Hinter ihnen schien das ganze Universum in Flammen zu stehen. Mary fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen. »Ich weiß ja nicht«, sagte sie und verfolgte mit, wie die Feuerwand auf sie zuwalzte.
    Sie waren zu lange geblieben. Die Zeit hatte nicht gereicht, um alle in Sicherheit zu bringen, aber niemand hatte es zugeben wollen. Sie hätten schon zusammen mit der Rom starten, ihre Verluste abschreiben und sich davonmachen sollen. Aber wer wollte eine solche Entscheidung treffen?
    »Halt dich fest.« Das war alles, was George einfiel, ehe die Welle über sie hinwegspülte.


AstroLab, 22 Uhr 37

    Das AstroLab lag im zentralen Massachusetts unweit der Quabbin-Talsperre. Untergebracht war es in einem dieser knalligen, ultramodernen und abstrakten Stahl- und Glasgebäude, die eigentlich eine Art mathematischen Fluß darstellen sollten, aber im Grunde lediglich die Landschaft verschandelten. An der Commercial Street in Boston hätte es gut ausgesehen. Zwischen Seen und Wäldern wirkte es jedoch abscheulich. Es erinnerte Wesley Feinberg an einen Klacks Gelatine.
    Im entscheidenden Moment des Abends tat Feinberg etwas, was Menschen, die ihn gut kannten, vielleicht vorhergesehen hätten: Er verabschiedete sich aus dem Durcheinander im AstroLab, wo sich seine Kollegen atemlos um das Hauptdisplay versammelt hatten und Rohdaten betrachteten, die von Radio-, Infrarot- und Röntgenteleskopen, von Photonenzählsystemen und UV-Detektoren übermittelt wurden. Und er spazierte über den nördlichen Fußweg hinaus.
    Es war eine kühle Nacht, und er war froh über seinen Pullover. Er steckte die Hände in die Taschen