Mondsplitter
auf ein Rettungsteam von der Mondbasis oder L1 warten mußte. Warten wäre vergangene Woche noch das Standardverfahren gewesen. Dafür sorgen, daß die Passagiere in Sicherheit sind, und ruhig dasitzen, bis Hilfe eintrifft. So lautete das Credo. Aber die Umstände hatten sich verändert.
»Wir haben noch ein Problem«, sagte Tony. Er wühlte im Ausrüstungsfach herum und holte einen Schraubenschlüssel, ein paar Schraubenzieher, eine Stange, eine Taschenlampe und zwei Rollen Klebeband hervor. »Für die Luftschleuse da unten ist eine Warnlampe angegangen. Die Außenluke reagiert nicht.« Er blickte auf und sah, wie Saber den Helm aufsetzte.
»Jetzt nicht«, sagte er.
»Du möchtest warten?«
»Yeah. Wir haben Zeit. Warten wir, bis da draußen nicht mehr soviel los ist.«
»Okay, klingt vernünftig.«
»Da ist noch was.«
»Was?«
»Du wirst nicht gehen.«
»Wieso nicht? Ich denke nicht, daß wir riskieren sollten, den Piloten zu verlieren.«
»Verdammt, Saber, darum geht es nicht! Vielleicht werden Muskeln benötigt, um die Luke aufzukriegen. Du hast nicht gerade viel Kraft.«
Quebec, 22 Uhr 56
Einundzwanzig Minuten nach dem Einschlag wurden Lichtstreifen über dem Saguenay Provindal Park in Quebec sichtbar. Es war die erste verzeichnete Sichtung von Aufpralltrümmern.
2.
Einstufen-Raumfähre Arlington, Passagierkabine, 22 Uhr 57
Andrea Bellwether hatte sich etwas entspannt, nachdem die frühen, beängstigenden Minuten überstanden waren. Sie war vor Angst praktisch gelähmt gewesen und hatte sich ausgemalt, wie es wäre, wenn einer der Felsen die Raumfähre traf, sie aufbrach und sie selbst mitsamt ihrem Sitz ins Vakuum hinausschleuderte. Andrea hatte sich nie für einen Feigling gehalten. Mehrfach im Leben war sie aufgestanden, um sich für etwas zu melden, um sich Schlägern entgegenzustellen und einmal sogar einem Mob, als eine IRA-Demonstration in London gewalttätig wurde. Aber das Erlebnis jetzt war anders und ließ sie schwach und erschüttert zurück.
Wenn das Feuer auch nicht ganz vom Himmel verschwunden war, so schien es doch nachgelassen zu haben, und das ständige Hämmern und Knallen am Schiffsrumpf hatte aufgehört. In Abständen sprach der Captain zu den Fluggästen und beruhigte sie. In diesem Moment sehnte sich Andrea danach, wie ein Kind behandelt zu werden. Tätschle mir den Kopf und sag mir, daß alles in Ordnung ist.
Skyport Orbitallabor, 22 Uhr 59
Tory Clark steuerte eine gewaltige Phalanx von Instrumenten im Weltraum und überall auf der Erde, und Daten strömten herein. Windy Cross war inzwischen so aufgeregt, daß er seine Wut auf sie vergessen hatte. Sie erhielten prachtvolle Bilder, und die Kanäle waren voller aufgeregter Stimmen. Mit Infrarotmessungen hatte man den Feuerball durchdrungen. Wie vorhergesagt, hatte der Einschlag den Mond zertrümmert, ihn buchstäblich auseinandergebrochen. Stücke, so groß wie Texas, hatten sich losgerissen und trieben im Weltraum. Es war zu früh, um schon festzustellen, welchen Kurs sie hatten, aber der Theorie zufolge würden sich die Trümmerstücke auf ungefähr der heutigen Mondumlaufbahn ausbreiten und zum größten Teil auf dieser Distanz bleiben.
Einige hatten behauptet, sogar wenn der Komet den Mond zerbrach, würde die Schwerkraft die Einzelteile bald wieder zu einer Kugel zusammenziehen. Wenn Tory sich jetzt die Bilder ansah, rechnete sie nicht damit. Jetzt nicht und wahrscheinlich auch nicht in absehbarer Zukunft.
Zur Zeit schien eines gewiß: Die Welt hatte eine Wunde erhalten und eine anschauliche Lehrstunde erhalten, weit eindrucksvoller als die, die Shoemaker-Levy 9 vor dreißig Jahren geboten hatte. Vielleicht wurde jetzt Skybolt zu einem öffentlichen Anliegen, die Orbitalanlage, die den Planeten durch eine Ansammlung chemischer Sauerstoff-Jod-Laser verteidigen konnte. Darüber hinaus hatte Tomiko gezeigt, daß man sich nicht darauf verlassen konnte, ein oder zwei Jahre Zeit zur Vorbereitung auf einen Einschlag zu haben.
Ihr kam der Gedanke, daß der Verlust des Mondes vielleicht kein schlechtes Geschäft war, falls wir Glück hatten und die Erde ohne ernste Schäden davonkam, vorausgesetzt, wir lernten unsere Lektion. Vorausgesetzt, wir trafen Vorbereitungen fürs nächste Mal.
Ihre Monitore zeigten Bilder der brodelnden Wolke, die von mehreren Orbitern übermittelt wurden sowie von Mount Palomar, Whipple und Kitt Peak.
Eine der Anzeigen blinkte heftig los.
»POTIM-1«, sagte
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