Mondsplitter
aufgehen.«
»Freut mich, das zu hören.« Er schaltete auf Handbedienung, klappte den Griff heraus, drehte ihn und zog.
Nichts.
Er wechselte die Körperhaltung und versuchte es erneut. Diesmal spürte er, wie etwas nachgab. »Okay«, sagte er. »Diesmal habe ich Fortschritte gemacht.« Er hatte jetzt eine kleine Lücke zwischen dem Lukenrand und dessen Auflagefläche. Er zog die Stange aus dem Gürtel, arbeitete sich damit in die Lücke hinein und stemmte sie mal in die eine, mal in die andere Richtung.
»Tony, du mußt dich beeilen! Der Schirm zeigt anfliegende Trümmer.«
»Verstanden.« Er zog heftig.
»Vielleicht solltest du zurückkommen. Es später noch mal versuchen.«
Er fand keinen rechten Halt, und wenn er gegen die Luke drückte, drückte sie zurück. Das Problem bestand darin, entschied er, daß er die Aufgabe zu lösen versuchte, während er sich gleichzeitig am Griff festhielt. Also ließ er los, setzte beide Füße auf den Schiffsrumpf, packte die Stange mit beiden Händen und zog. Sie bewegte sich etwas mehr.
»Sie gibt jetzt nach«, informierte er Saber.
»Uns geht die Zeit aus, Tony.«
Er brachte sich in Position und probierte es erneut, aber die Stange rutschte ab, und er schwebte vom Schiff weg. »Ah-oh«, sagte er.
»Ah-oh? Was ist mit ah-oh?«
»Ich schwebe im Raum.«
»Tony? Ich muß ausweichen.«
»Nur zu.« Er schob sich die Stange in den Gürtel. »Ich komme schon klar.«
Das Triebwerk zündete, und der Bus machte einen Satz. Tony fiel zurück, bis sich die Leine spannte und ihn mitzerrte. Sie war kurz genug, um zu verhindern, daß er vom Haupttriebwerk geröstet wurde. Er prallte jedoch heftig an den Schiffsrumpf und prellte sich dabei ein Handgelenk.
»Bist du noch da?« klang Sabers besorgte Stimme in seinem Kopfhörer.
»Yeah.« Es fiel ihm schwer, die Antwort herauszubringen, und ihm kam der Gedanke, daß er den einzigen Raumanzug trug, den sie dabeihatten. Falls er hier draußen Probleme bekam, konnte ihm niemand zur Hilfe kommen.
»Noch mehr fliegt an, Tony«, sagte Saber. »Wir müssen hier weg.«
»Okay. Mir geht’s gut.«
Etwas klatschte auf sein Helmvisier.
Eine Flüssigkeit. Er versuchte sie wegzuwischen. Aber nichts passierte, und in dem seltsamen Licht sah sein Arm gar nicht gut aus.
Die Flüssigkeit kam aus seinem Ärmel, und er sah die linke Hand nicht mehr.
Spürte die linke Hand auch nicht mehr.
Dunkelheit schwappte über die Ränder des Blickfelds. Er spürte Druck im Ärmel. Der Anzug versiegelte sich selbst wieder.
Aber das Licht entglitt ihm.
Mikrobus, Passagierkabine, 2 Uhr 31
Charlie hatte schon kräftig vom Vorrat des zweiten Sauerstofftanks gezehrt. Nur noch wenige weitere Tanks waren vorrätig, was bedeutete, daß sie um vier Uhr Probleme bekommen würden, wenn sie das Lebenserhaltungssystem nicht reparierten.
Durch die Fenster der Passagierkabine konnte man die Vorgänge nicht verfolgen. Tony war unter der Rumpfkrümmung verschwunden, und sie hatten das Poltern gehört, als er an der Luke arbeitete. Charlie hätte Saber am liebsten gefragt, wie es lief, aber er wollte sie nicht ablenken. Er hatte auf die harte Tour gelernt, daß normale Menschen Fragen stellen und Beschwerden vorbringen können und sich niemand was dabei denkt. Aber eine Person von politischem Rang macht sich schnell zum Trottel. Also wartete er und wechselte besorgte Blicke mit Evelyn, die sich auch bemühte, niemandem in die Quere zu kommen.
Morley saß düster da und drückte die Hände auf die Sauerstoffmaske. Er wirkte geschlagen, ein scharfer Kontrast zu der positiven und energischen Persönlichkeit, die er zeigte, wenn er auf Sendung war. Der Kaplan hatte sich bemüht, eine fatalistische Haltung einzunehmen, um sich gegen Gefühlswogen abzuschirmen. »Wir können nicht viel tun, außer abwarten«, hatte er gesagt, oder: »Wir sind in der Hand des Herrn.«
Das waren sie ganz gewiß.
Charlie war überrascht gewesen, als Saber vor weiteren Turbulenzen warnte. Turbulenzen war ein komischer Begriff für die Felsbrocken, die er an seinem Fenster vorbeipfeifen sah. Als Saber das Triebwerk zündete und den Bus auf die Seite legte, schloß er daraus, daß Tony wieder an Bord war.
Aber das Triebwerk war jetzt wieder still. Auf dem Unterdeck hörte man nichts, und der Mikrobus zog in bedrohlicher Stille seine Bahn.
Evelyn bemühte sich darum, Zuversicht auszustrahlen. »Es ist okay«, sagte sie. »Die wissen, was sie tun.«
Das nützte vielleicht auch
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