Mondsplitter
hin, daß dieser Verlust das Bankensystem zerstören würde. Sie empfahlen der Regierung, sofort zu handeln.
»Was schlagen sie vor?« fragte Charlie.
»Ich denke nicht, daß die Experten zur Zeit schon eine Idee haben, Herr Präsident. Sie möchten uns jedoch klarmachen, daß Handeln wesentlich ist.«
Was sonst?
Im Nordosten und Nordwesten war großflächig der Strom ausgefallen. Zehntausende mexikanischer Flüchtlinge, für die niemand sorgen konnte, strömten nach Norden. Ein abnormes Gewitter hatte Tucson praktisch zerstört.
Allerdings lagen auch einige wirklich gute Nachrichten vor: Das Kernland war nach wie vor intakt. Die Bundesregierung funktionierte gut; erste Anzeichen deuteten darauf hin, daß ihre Dienststellen und das Militär Wunder vollbrachten. Europa und Asien waren weniger schwer getroffen worden als Nord- und Südamerika, und die Verbündeten und auch ein paar alte Feinde halfen, so gut sie konnten. Am besten: Die Raketen waren eingestellt und scharf gemacht, und bis neun Uhr früh würde der Possum Geschichte sein.
Charlie umriß seine Prioritäten. Vor allem mußte man sich auf das Flüchtlingsproblem konzentrieren. »Tun Sie, was nötig ist, um Lebensmittel und Dienstleistungen unter die Leute zu bringen. Hier besteht die Gefahr noch schlimmerer Verluste. Wir müssen uns überlegen, was wir für die Leute auf der Straße tun können, und wir müssen es gleich richtig hinbekommen. Und warten Sie nicht immer erst auf eine Genehmigung des Präsidenten. Falls etwas getan werden muß, tun Sie es. Mich informieren Sie einfach nur. Ich unterstütze Sie.«
»Oder Sie feuern mich«, sagte Al mit spürbarem Unbehagen. Kerr war nie Anhänger Charlie Haskells gewesen, und er rechnete jetzt damit, den Preis zahlen zu müssen.
Charlie hatte Wichtigeres, worüber er sich Gedanken machen mußte. »Ich möchte, daß Aktionspläne für mich bereitliegen, sobald ich unten ankomme. Stellen Sie eine Arbeitsgruppe zusammen, die der Entwicklung vorausgreift. Ich möchte nicht einfach nur auf Katastrophen reagieren. Bringen Sie ein paar Leute zusammen, die sich überlegen, was noch alles passieren kann und was wir sonst noch tun können.«
»Woran denken Sie dabei vor allem, Herr Präsident?«
»Zum einen an Cholera und Typhus.« Er holte tief Luft, weil er die Zaghaftigkeit seines Gesprächspartners spürte. Die Wut packte ihn. Jetzt war einfach nicht die richtige Zeit für Leute, die nicht bereit waren, etwas anzupacken und zu erledigen. »Gottverdammt, Al«, sagte er, »wenn ich es schon wüßte, bräuchte ich diese Arbeitsgruppe nicht! Sie soll klein sein. Ich brauche Ideen, nicht Leute, die sich gegenseitig den Arsch freihalten. Was ist alles nötig, um das Land am Leben zu halten? Nicht nur die Menschen, auch die Institutionen. Haben Sie das verstanden?
Besorgen Sie sich jemanden vom Militär. Von den Zentren zur Krankheitsbekämpfung. Von der Bundesagentur für Krisenmanagement. Ein paar Akademiker. Überlegen Sie sich was. Wir sind diese Woche an der ungedeckten Flanke erwischt worden, Al. Und ich denke, wir haben alles eingesteckt, was wir nur verkraften können. Keine Überraschungen mehr.«
War da sonst noch was?
Ja, war es. Charlies Ton wurde weicher. »Das mit Henry und Emily tut mir leid. Ich weiß, daß Sie ihnen nahegestanden haben.«
»Danke, Herr Präsident.«
»Ich erwarte, daß Sie als Stabschef weitermachen. Zumindest, bis wir diese Sache überstanden haben.«
»Ja, Sir.«
Er beendete das Gespräch und spazierte zurück in die Passagierkabine, wo alle so taten, als wären sie in Lektüre vertieft. »Alles in Ordnung, Herr Präsident?« fragte Evelyn.
Alle redeten ihn inzwischen wieder förmlich an. Und vielleicht war das nur gut so. Er fragte sich, wieviel Lincoln erreicht hätte, falls jeder in seiner Umgebung ihn Abe genannt hätte.
»Alles in Ordnung«, sagte er. »Wir kommen zurecht.«
Was ihn an etwas erinnerte. Er stieg die Leiter hinauf – er wurde allmählich wendig in der Schwerelosigkeit – und erreichte das Flugdeck, im Rücken Sabers. »Hallo, Pilotin«, sagte er.
Sie hob die Hand, ohne sich umzudrehen. »Hallo, Herr Präsident.«
»Ich habe gehört, daß wir doch nicht zum Pluto hinaus fliegen«, sagte er.
»Oh«, versetzte sie. »Sie wissen davon. Nein, es wird gutgehen. Wir waren nie in Gefahr.«
Er glitt auf den Platz des Copiloten. »Sind Sie sicher?«
»Ja, Sir«, sagte sie.
»Irgendwas, wovon ich erfahren sollte?«
»Nein, Herr
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