Mondsplitter
Präsident.«
»Sollte ein weiteres Problem auftreten, würde ich gern informiert«, sagte er.
»Ja, Sir. Ich bin allerdings nicht von einem Problem ausgegangen. Ich meine, ich wußte, daß sie die Lowell in Reserve haben.« Sie blickte lächelnd zu ihm auf. Saber war eine schöne Frau, entschied er. Irgendwie war bislang nicht die Zeit gewesen, das zu bemerken. »Ich dachte, Sie hätten genug, worüber Sie sich Gedanken machen müssen. Den Mikrobus zurückzubringen, das war meine Aufgabe.«
»Haben wir überhaupt noch Treibstoff übrig?«
»Wir haben ein paar hundert Pfund. Nicht sehr viel. Ich versuche zu sparen.«
»Okay. Wie soll der Rettungseinsatz ablaufen?«
Sie entspannte sich ein wenig. »Die Lowell holt uns etwa um sechzehn Uhr ein. Wir steigen um und werfen den Mikrobus ab. Man hat mir noch keine geschätzte Ankunftszeit mitgeteilt, aber ich vermute, daß wir am späten Abend zurück auf der Station sind. Das ist aber nur über den Daumen gepeilt. Ich kenne die Fähigkeiten der Lowell nicht.«
Charlie betrachtete die unzähligen blinkenden Lichter und Anzeigen auf den Displays des Mikrobusses. »Können wir den Possum von hier aus sehen?«
Saber drückte eine Taste, und der Felsbrocken wurde in die Frontscheibe eingeblendet. »Das ist die Perspektive von einem Satelliten.«
Den Schilderungen in den Medien zufolge sah der Possum wie etwas aus, was man in zwei Hälften zerschnitten hatte. Eine Seite war flach, die andere gekrümmt und zerklüftet. Er war eher länglich als kugelförmig und ähnelte fast einem Prügel. Charlie war froh, daß noch niemand in den Medien auf diesen Vergleich gekommen war. Er verfolgte mit, wie der Brocken auf dem Display langsam vor sich hintrudelte.
Sabers Finger liefen über die Tastatur. »Hier ist mal ein Vergleichsmaßstab.« Ein Bild des Mikrobusses leuchtete auf. Es schrumpfte, bis es neben dem Possum kaum noch zu sehen war. »Das sind wir.« Sie drückte eine weitere Taste, und eine Folge von Mini-Icons reihte sich parallel zum länglichen Felsbrocken auf. »Es sind einundsechzig«, stellte sie fest. »Von einem Ende zum anderen.«
»Und wie groß sind wir?«
»Achtundzwanzig Meter und irgendwas, von der Pilotenkanzel bis zu den Landebeinen. Wir sind ganz schön kompakt.«
»Ein Glück, das wir den loswerden«, sagte er.
Der Possum übte einen nahezu hypnotischen Einfluß aus. Charlie sah zu, wie der Felsbrocken sich drehte, und betrachtete auf einem anderen Monitor den blauen Erdball.
Das zweite Bild, erklärte Saber, stammte von den Teleskopen des Mikrobusses.
Die Distanz zwischen Vizepräsidentschaft und Präsidentschaft bemaß sich, wie Charlie gerade herausfand, in Lichtjahren. Womöglich erkennt das niemand, der nicht auf beiden Seiten der Kluft gestanden hat. Vor ein paar Stunden noch war er nur um das eigene Überleben besorgt gewesen. Diese Sorge erschien ihm jetzt fast trivial.
Das dritte Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts war bis vor wenigen Tagen eine gute Zeit für den Planeten gewesen. Hundert Millionen Chinesen fuhren inzwischen eigene Autos; fast alle Menschen waren sich einig, daß militärische Übergriffe von schlechtem Geschmack zeugten; der alte Wirtschaftszyklus von Aufschwung und Depression schien gebändigt; und die Großmächte hatten entdeckt, daß Kooperation bessere Früchte trug als Konfrontation. Die Technik ermöglichte fast jedem ein besseres Leben. Die Wissenschaft machte Fortschritte, und die Menschen lebten länger und blieben dabei länger jung als je zuvor. Die meisten Krebsformen waren heilbar; Energiesats lieferten fast unbegrenzt Strom, und der lange Kampf um die Behebung der Umweltschäden hatte endlich die Wende geschafft. In den Vereinigten Staaten hatten ethnische Spannungen stetig abgenommen; das Bruttoinlandsprodukt stieg jährlich, während Verbrechensraten und Bevölkerungswachstum abnahmen.
Das sollte nicht heißen, daß es keine Probleme gab. Weit mehr Menschen lebten auf der Erde, als ihnen die natürlichen Ressourcen sicheren Unterhalt boten, und alte Traditionen und religiöse Gruppen bekämpften jeden Versuch, das Bevölkerungswachstum umzukehren. Nach wie vor wurden zu viele Verbrechen verübt und waren zu viele davon Gewaltverbrechen, besonders in Rußland, den Vereinigten Staaten und China. Eine kürzliche Untersuchung amerikanischer Erwachsener durch USA Today hatte ergeben, daß drei Achtel der Bevölkerung praktisch Analphabeten waren – der höchste Anteil in allen Industrieländern, und er stieg
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