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Mondsplitter

Mondsplitter

Titel: Mondsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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Verbündeten mit dem Raketenangriff warten wollten, bis der Possum vorbeigezogen war. Dunkel deuteten sie an, die Amerikaner hofften wohl insgeheim, daß er auf China stürzte. Der amerikanische Außenminister sagte auf einer frühmorgendlichen Pressekonferenz dazu, er wäre unbesorgt; falls der Possum wie erwartet nur ein Feuerwerk aufführte und seines Weges zog, hätten die Chinesen keinen Grund zur Klage, und falls er China doch träfe und die Wissenschaftler recht in der Annahme gingen, daß er groß genug war, um jede Zivilisation zu beenden, wäre niemand mehr da, um sich die Beschwerde anzuhören. Er lächelte über die eigene Bemerkung.
    Die Uhr lief mit: Zwei Minuten bis zum Atmosphärenkontakt. Drei Minuten bis zur größten Annäherung.
    Die Stationssirenen heulten nicht mehr. Über Interkom informierte eine Stimme Tory, daß in Sektionen des D-Decks, der Hauptpromenade, ein Druckverlust eingetreten war und man diese vorübergehend geschlossen hatte.
    Eine Bekanntmachung erschien auf dem Display: Die Amerikaner verzichteten auf den Raketenangriff. Eine Erklärung wurde nicht gegeben. Pressekonferenz um zehn Uhr.
    Eine Minute.
    Der Possum war keineswegs der einzige große Brocken da draußen. Bei der letzten Zählung hatte man weitere zweiundsechzig Objekte gekennzeichnet. Keines davon stellte jedoch eine unmittelbare Gefahr dar. Der größte, POTIM-55, war ein echter Vernichtungsstein, viermal so groß wie der Possum. Genug, um allem ein Ende zu machen, von den Kakerlaken vielleicht abgesehen. Zum Glück hatte er Kurs auf einen relativ stabilen Orbit. Im Grunde, dachte Tory, haben wir trotz der schrecklichen Verluste noch Glück gehabt. Es hätte viel schlimmer kommen können. Und der Regen aus ausgestoßener Materie hatte in den letzten paar Stunden merklich nachgelassen.
    »Da draußen schwirren immer noch viele Trümmer herum«, sagte Windy. »Wenn das vorbei ist, sollten wir empfehlen, daß die Fluglinien noch ein paar Tage länger am Boden bleiben.«
    Zehn Sekunden.
    Er kam jetzt rasch näher und glitt über den Planeten dahin, den Pazifik tief unter sich, und der asiatische Kontinent stieg ihm schnell entgegen. Die Computersimulation folgte ihm in den blauschwarzen Dunst der Ionosphäre hinein. Noch während Tory hinsah, wurde der Possum rot, fielen Bruchstücke von ihm weg und bildeten sich Kondensstreifen aus Rauchschleiern.
    Die auf das Flugobservatorium geschalteten Bildschirme hatten ihn noch nicht eingefangen. Zwei Displays zeigten verstärkte Teleskopbilder. Auf dem dritten sah man das Bild, wie es sich dem bloßen Auge darbot. Tory blickte konzentriert, und dann entdeckte sie ihn, eine scharfe weiße Linie, die sich durch den schimmernden blauen Dunst zog. Die dichteste Annäherung an die Erdoberfläche ging bis auf zweihundert Kilometer.
    Auch auf dem Erdboden stationierte optische Sensoren verfolgten ihn. Ein CNN-Reporter, der mit einem Kamerateam auf einer Bergflanke bei Hainan stand, entdeckte den Felsbrocken, als er in Flammen aufging. Menschen, die bei dem Reporter standen, gafften und seufzten. Der lange Feuerball schoß über ihnen am Himmel entlang. Dann brach das tiefe und kehlige Donnern, das er beim Vorbeiflug erzeugte, über sie herein. Es überraschte die Augenzeugen, und sie schützten die Köpfe mit den Armen. Ein paar schrien und warfen sich zu Boden. Der Possum donnerte zwischen den Sternbildern dahin, eine Himmelslokomotive mit aufgeplatztem Kessel, der den Blick auf das flammende Innere freigab. Und dann verschwand er im Westen Richtung Wuhan.
    »Sieht bislang gut aus«, sagte Windy in gespanntem Ton.
    Mobile Stationen in Chengtu und im Himalaja entdeckten den Possum, als er dahinzuschwinden begann. Über Lahore war er schon ruhiger und friedlicher und wirkte auch kleiner. Das Donnern war nicht mehr zu hören. Die Afghanen sahen nur noch eine rosa Linie am Himmel, und irgendwo über dem Land der Mullahs ging sie aus. Tory hatte eine Leitung zum AstroLab geöffnet und hörte dort den Applaus. »Tschüs, Baby«, sagte eine begeisterte Frauenstimme.
     
     
AstroLab, 8 Uhr 58
     
    Feinberg war aus Veranlagung unfähig zu feiern. Er war von Natur aus zurückhaltend, reserviert, verschlossen. Für ihn war der örtliche Wal-Mart weiter entfernt als Cygnus X-1. Vor Jahren hatte er das Glück gehabt, auf dem Mount Palomar zu sein, als die Supernova 2017A im Lagunennebel NGC 6523 explodierte. Der Lagunennebel liegt im Sagittarius, weniger als fünftausend Lichtjahre entfernt.

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