Mondsplitter
einen Scherz aus der chinesischen Beschwerde gemacht.« Harmon war der Außenminister. »Ich muß mich fragen, welche diplomatischen Fähigkeiten jemand hat, der an einer solchen Katastrophe irgendwas komisch findet. Er ist gefeuert. Sagen Sie ihm das.«
»Aber Charlie …«
»Ich würde es ihm selbst sagen, bin aber beschäftigt. Falls er darauf besteht, es von mir zu hören, mache ich es, aber warnen Sie ihn vor: Es wird nicht sehr freundlich.«
Charlie telefonierte schon den ganzen Vormittag mit Kerr, mit Kabinettsmitgliedern, mit Staatsoberhäuptern aus aller Welt. Er versuchte, eine globale Reaktion zu koordinieren. Aber es reichte nicht. Mit Leuten hier und dort zu reden, damit war noch nichts getan. Man brauchte für die Dauer der Notlage eine globale Exekutive. Normalerweise wäre dafür der US-Präsident die logische Wahl gewesen, aber die USA gehörten zu den Staaten, die es am schwersten getroffen hatte. Das veränderte die chemische Zusammensetzung. Man hatte schon mehrere Kandidaten vorgeschlagen, darunter den belgischen Staatschef, von dem Charlie wußte, daß er fähig und ehrlich war. »Werfen Sie unseren Einfluß für ihn in die Waagschale«, sagte er.
Auch gute Nachrichten trafen weiter ein. Noch mehr Possums waren unterwegs, aber keiner war eine unmittelbare Gefahr. Häufigkeit und Intensität der Meteoreinschläge nahmen rasch ab. Der Sturm schien vorüberzuziehen, und in ein paar Stunden war es vielleicht möglich, den Alarmzustand zurückzunehmen.
Alle Welt hatte es erwischt, Nord- und Südamerika jedoch am schlimmsten. Hilfsangebote trafen aus allen großen und vielen kleinen Nationen ein. Ja, ließ Charlie ihnen ausrichten, wir brauchen Lebensmittel, Kleidung, medizinische Vorräte, Transportmittel und Kommunikationsausrüstung. Was immer und wen immer Sie schicken können. Multinationale Konzerne mobilisierten ebenfalls Hilfe. »Gottverdammte egoistische Bastarde«, kommentierte Kerr. »Sie tun das nur, weil sie ihre Konsumenten am Leben halten wollen.«
Charlie scherte sich nicht besonders um die Motive.
Am späten Vormittag war er emotional erschöpft. In der Einstellung der Menschen zu ihrem Leben und ihrer Welt war ein tiefgreifender Wandel eingetreten. Sie waren, überlegte Charlie, einander näher gekommen als je zuvor in seinem Leben. Vielleicht näher als je zuvor, seitdem Geschichte niedergeschrieben wurde.
Trotzdem befand sich Charlie in keiner beneidenswerten Position. Praktisch alle politischen Leitfiguren der Welt steckten in Schwierigkeiten; von allen wurde erwartet, weitere Katastrophen abzuwehren. Und das galt für niemanden mehr als für ihn, der er einer Regierung vorstand, die man weithin dafür verantwortlich machte, daß sie nicht einmal ihre Bürger gewarnt hatte.
Sein Funktelefon läutete.
»Die Pilotin, Herr Präsident.«
»Ja, Saber?«
»Ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen: Die Lowell ist planmäßig auf Kurs. Sie geht in etwa fünfeinhalb Stunden längsseits.«
»Danke.« Er blickte zu Evelyn hinüber. Sie las. Der Kaplan schlief, und Morley schrieb, drückte lustlos die Tasten auf seinem Notepad. Hielt wahrscheinlich alles für ein Buch fest. Die Kabine war zweifellos die am stärksten der Öffentlichkeit preisgegebene Zone, aus der jemals ein Präsident seine Amtsgeschäfte geführt hatte. Sein durchgebranntes Weißes Haus.
Nun, falls er nichts anderes erreicht hatte, dann würde er zumindest künftig das Thema banaler Quizsendungen abgeben.
Ein Berggipfel westlich von Staunton, Virginia, 11 Uhr 47
Oberstleutnant Steven R. Gallagher senkte das Fernglas. Er übte mit seinen Truppen nur ungern am Sonntagmorgen, wo sie lieber in der Kirche hätten sein sollen, aber er wußte, daß der entscheidende Zeitpunkt heranrückte, und er wollte sicherstellen, daß die Legion bereit war.
Er befand sich bei der Blue-Star-Kompanie, Drittes Freiheits-Bataillon der Thomas-Jefferson-Legion. Das Manöver war in der vierten Stunde. Er lehnte seine kräftige Gestalt an den Fordtransporter, der ihm als Kommandowagen diente, und blickte auf die Uhr. »Ihnen geht gleich die Zeit aus«, sagte er zu seinem Bruder, der die Eichenblätter eines Majors trug.
»Tad meldet, er wäre in einer Position, um noch ein paar mehr auszuschalten«, sagte der Major.
Sie führten eine Sicherheitsübung durch. Tad Wickert hatte mit sechs Mann ein simuliertes Waffenlager hochgejagt. Die mit der Verteidigung des Ziels beauftragten Sicherheitseinheiten konnten jetzt nur noch
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