Mondsplitter
können. Das Asthma war inzwischen weg, schon lange überwunden. Er hatte viel gelernt seit dieser Zeit, in der er sich nichts sehnlicher gewünscht hatte, als sich für die Rangers zu qualifizieren. Vor allem hatte er gelernt, daß die Vereinigten Staaten von einer kleinen Kamarilla aus Familien regiert wurden, die so taten, als stritten sie miteinander, die aber die Macht in Händen hielten und die arbeitenden Menschen des Landes bis auf die Knochen auspreßten. Heute wäre er nicht mehr im Traum auf die Idee gekommen, diese Diktatoren zu verteidigen.
Er hatte eine bessere Möglichkeit gefunden, dem amerikanischen Ideal zu dienen. Er gründete die Thomas-Jefferson-Legion, eine Gruppe gottesfürchtiger Männer und Frauen, die ihr Land liebten und sich der Aufgabe widmeten, die Freiheit vor Ort gegen die diversen schattenhaften Manifestationen eines Unterdrückerstaates zu verteidigen, der seinerseits nur die Untergliederung einer weltweiten Organisation darstellte, deren einziges Ziel es war, die Macht zu behalten.
Dem Oberst gehörte das Potluck Restaurant im Zentrum von Staunton. Das von seinem Großvater gegründete Restaurant war jetzt seit achtunddreißig Jahren in Familienhand und hatte eine Filiale im nahen Harrisburg abgeworfen.
Das Potluck erwirtschaftete jedoch nicht so viel Gewinn, wie es hätte sollen. Im Gegensatz zu den meisten Amerikanern, deren Steuern einfach verschwinden, ohne daß sie sie je zu Gesicht bekommen, mußte sich der Oberst die Mühe machen, jeden Monat selbst beträchtliche Summen an einen zunehmend drückenden und korrupten Staat zu überweisen. Aber das war noch nicht das schlimmste. Überall waren Regulatoren. Inspektoren von allen staatlichen Ebenen folgten dem Beispiel der Bundesagenten und quälten ihn ständig mit Sicherheits- und Gesundheitsinspektionen, verlangten Genehmigungen, kontrollierten, wie viel er seinen Hilfskräften zahlte, und diktierten, wen er anstellen und welche Krankenversicherung er ihm verschaffen sollte. Das ganze Geld diente nur dazu, die boshaften Praktiken einer dekadenten Nation zu finanzieren, einer Nation, die Gott nicht im Klassenzimmer duldete, die es Frauen erlaubte, ihre Kinder zu ermorden, die den Fortpflanzungsvorgang so verfälscht hatte, daß Männer nicht mehr gebraucht wurden.
Über die Jahre entwickelte er sich so zum glühenden Gegner der unsichtbaren Hand, die so schwer auf seinem Schicksal und dem seiner Landsleute lag. Rechtschaffen gesinnte Männer und Frauen aus dem ganzen Staat Virginia scharten sich um ihn, und die Jefferson-Legion unterhielt inzwischen Einheiten in einem Dutzend Counties. Es waren nicht nur die Gottlosigkeit und Korruption, die Steve Gallagher empörten, und viel weniger das Geld oder die Inspektionen. Vielmehr war es die herablassende Art der staatlichen Amtsinhaber, ihre erkennbare Überzeugung, daß er kein Ehrenmann war, daß man ihm nicht trauen konnte, daß es nötig war, ihn an der Leine zu halten.
… Um die … Segnungen der Freiheit für uns und unsere Nachkommen zu erhalten …
Es war nicht dazu gekommen.
Tom Jefferson hatte sich nicht gegen die Föderalen durchsetzen können. Seine Ideale hatte man Hamiltons Vorstellungen von einer repressiven Zentralregierung geopfert. Die Siedler tauschten nur eine Kette gegen eine andere ein. Da die zweite jedoch mit einem Adler geschmückt war, bemerkten sie es nicht.
»Gentlemen«, sagte der Oberst in der Absicht, seine Ausführungen zu beenden und sie mit etwas nach Hause zu schicken, worüber sie nachdenken konnten, »ich würde mit Ihnen gerne noch kurz über etwas anderes sprechen als die Übung.« Er richtete sich zu voller Größe auf. »Wie Sie wissen, war die zurückliegende Nacht eine Katastrophe für die Diktatoren. Die Regierung hat den Menschen unseres Landes schließlich ihr wahres Gesicht gezeigt, und überall besteht jetzt das Potential für einen Aufstand. Wir brauchen nur noch einen Funken.
Seien Sie versichert, daß ich mit unseren Waffenbrüdern im ganzen Staat und anderen Teilen des Landes laufend in Verbindung stehe. Wir sind bald marschbereit. Wenn der Augenblick kommt – und ich kann Ihnen sagen, daß er kurz bevor steht –, dann sind wir bereit, die Machthaber zu überwältigen und die Nation den wahren Amerikanern zurückzugeben.«
Sie applaudierten, versicherten ihm, an seiner Seite zu stehen, und gingen nach Hause. Danach saß er allein in der Küche und lauschte dem trägen Summen der Insekten.
Das Roß wird gerüstet für
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