Mondsplitter
Menschen in den letzten zwölf Stunden umgekommen sind. Und immer noch umkommen. Millionen. Mr. Nishamura, Sie haben nicht einmal mehr eine Stadt, in die Sie zurückkehren können.
L.A. Online: Niemand hätte die Stadt retten können. Die Flutwellen haben L.A. vernichtet. Punkt. Wohin hätten Sie die Bevölkerung von Los Angeles innerhalb weniger Tage umgesiedelt?
Moore: Ich hätte sie verdammt noch mal nicht einfach auf der Gage Avenue und Avalon ersaufen lassen! Hören Sie: Wenn wir damit fertig sind, unsere Toten zu zählen, werden wir wissen, daß es mehr als zwanzig Millionen sind, meistens Menschen aus den Innenstädten. Wieder mal bezahlt der Schwarze die Rechnung für dieses Land. Nun, das war es. Es ist Schluß damit.
NBC: Sie rechnen doch nicht wirklich damit, daß der Kongreß dieser Forderung nachgibt, oder?
Moore: Er wird es, wenn er die Nation retten möchte.
NBC: Das klingt nach einem Ultimatum.
Moore: Das ist es nicht, Mr. Pierce. Es ist ein nachdrücklicher Vorschlag. Die Allianz möchte das Land nicht zerstören, wirklich nicht. Das Überleben der Nation ist wesentlich dafür, einen Weg zu finden, der die Menschen, besonders die schwarzen Menschen, aus der Armut führt. Was wir dem Kongreß und dem neuen Präsidenten sagen möchten, ist folgendes: Das alte System funktioniert bei uns nicht. Es wird Zeit für einen radikalen Einschnitt. Ich hoffe, man wird einsehen, wie klug dieser Vorschlag ist. Falls nicht, dann habe ich keine Zweifel, das auf unseren Straßen Blut fließen wird.
Boston Globe: Dr. Moore, Sie müssen erkennen, daß Sie einen Aufstand anzetteln.
Moore: Mitnichten. Ich hoffe, einen zu verhindern.
6.
Percival Lowell, Flugdeck, 9 Uhr 11
Rachel beendete den letzten Check und schaltete auf interne Energie um. Cochran zeigte ihr vom Platz des Navigators aus den aufgerichteten Daumen. Die Startprotokolle waren geladen.
»Lowell«, meldete sich eine Stimme in ihrem Kopfhörer, »Sie haben Startfreigabe.«
Ein ›Start‹ von Skyport bedeutete, daß die Magnetkopplungen das Schiff freigaben. Vier Gruppen von Manövertriebwerken schoben es dann behutsam aus dem Hangar und versetzten ihm einen leichten Schubs weg vom Orbiter. Etwa zur gleichen Zeit würde Rachel das Triebwerk zünden und die Fluglage verändern. Dann ging es sechs Kilometer weit nach draußen, um schließlich auf den Kurs einzuschwenken und zu beschleunigen.
Es war kein einfacher Morgen gewesen. Jeder auf Skyport wollte anscheinend an Bord der Lowell sein, wenn sie das Rendezvous mit dem Mikrobus durchführte. Ständig hatte das Telefon geklingelt. Menschen stellten sich als Ingenieure und Kommunikationsspezialisten und überhaupt Angehörige jedes vorstellbaren Berufs vor und hielten es für eine gute Idee, wenn sie für den einen oder anderen Notfall dabei wären. In Wahrheit wollten sie natürlich einfach dem neuen Präsidenten begegnen. Ein paar Stationsbürokraten hatten sogar vorgeschlagen, daß ein hochrangiger Vertreter von Skyport mitkommen sollte.
Rachel brauchte jedoch niemanden außer Lee Cochran. Es täte ihr leid, versicherte sie immer wieder geduldig, aber jeder weitere verbrauchte einfach nur Platz. Und noch wichtiger, Luft. Auf dem Rückflug waren acht Personen an Bord, was bereits ein Drittel über der Kapazität des Lebenserhaltungssystems lag. Wenn jemand beharrlich blieb, erklärte Rachel einfach, es verstieße gegen die Bestimmungen. Selbst die entschlossensten zeigten dafür anscheinend Verständnis.
Belle schickte jedoch einen Arzt mit. Nur für alle Fälle. Der Chefarzt war von der gegenwärtigen Notlage im Urlaub überrascht worden, also ging der Auftrag an den stellvertretenden Chefarzt der Station, Dr. Arthur Elkhart. Er stammte vom schüchternen Ende des bürokratischen Spektrums und wirkte erkennbar nervös über die Aussicht, den Präsidenten als Patienten zu erhalten. Er wäre lieber zu Hause geblieben, aber seine Stellung gestattete das nicht. Trotzdem gestand er Rachel, sobald Belle gegangen war, offen seinen Bammel und gewann damit ihren Respekt. Er war mittleren Alters, vorzeitig ergraut und von geducktem Körperbau. »Ich hoffe, daß im Bus alle okay sind«, sagte er.
»Hier Lowell«, meldete sich Rachel bei der Verkehrsleitung. »Wir sind startklar.«
Ein leichter Schub wurde spürbar, als die Manöverdüsen das Schiff aus dem Hangar führten. Das lange Sichtfenster der Flugleitung glitt links an Rachel vorbei. Sie drückte die Interkomtaste. »Es geht los,
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