Mondsplitter
darauf hoffen, die Angreifer festzunehmen. Es war jedoch erkennbar, daß ihnen auch das nicht gelingen würde. »Es ist nicht nur ihre Schuld, Oberst«, versetzte Jack widerstrebend. »Tad ist sehr gut.«
Steve wußte, daß Sicherungsaufträge seine Leute langweilten. Sie wollten Sachen in die Luft jagen, nicht schützen. Aber schnell rückte der Tag heran, an dem sie Einrichtungen gegen Guerillas verteidigen mußten. Seine Machtergreifung in Virginia würde auf Widerstand stoßen. Die größte Gefahr war sicherlich die überlebenden Loyalisten des heutigen Staates. Steve war jedoch klar, daß er auch mit gesetzlosen Elementen rechnen mußte, die einfach nur auf so etwas wie die Tomiko-Affäre gewartet hatten, um an die Macht zu kommen. Und in den bevorstehenden Tagen bot dem zivilisierten Leben niemand außer der Jefferson-Legion mehr Schutz vor unzivilisierten Schlägern.
Tad saß nach wie vor in dem knapp zehn Quadratkilometer großen Übungsgelände fest. Zwei Straßen und zwei Brücken kamen als Fluchtwege in Frage, und alle wurden kontrolliert. Die Sicherheitseinheiten hatten es jedoch nicht geschafft, ihn dingfest zu machen, und bei dem Versuch mehrere Leute verloren. Keine besonders gute Leistung. »Habe ich nicht erklärt, was methodisches Vorgehen ist?« wandte sich Steve an Jack. »Haben wir nicht darüber gesprochen, wie wichtig es ist, bei einem Einsatz systematisch vorzugehen?«
Sein Bruder nickte.
»Sieht nicht danach aus, als hätten sie es verstanden, Steve.«
»Nein, das tut es nicht.« Der Oberst blickte auf die Uhr. Es war zwölf. »Okay. Brechen wir ab. Schick die Truppen nach Hause, und die Offiziere trommeln wir zusammen. Wir müssen ein bißchen was besprechen.«
Das Hauptquartier der Legion war im Ostflügel des weitläufigen Farmhauses untergebracht, das dem Oberst gehörte. Insgesamt sieben Offiziere gehörten zur Legion, ihn selbst nicht mitgezählt. Sie waren gut, solide ausgebildet, intelligent, loyal. Verdammt viel besser, als seine Kritiker ahnten.
Ein großes Freizeitzimmer an der Rückseite diente als Konferenzraum. Als Jack signalisierte, daß alle eingetroffen waren, trat auch Oberst Gallagher durch eine Seitentür ein. Alle sprangen auf und nahmen Haltung an. »Kommando zurück, Männer«, sagte er und bezog Stellung am Rednerpult. (Tatsächlich war einer der Hauptleute eine Frau, aber hier wurden nie Geschlechtsunterschiede gemacht, und sie schien keine Einwände zu haben.)
Kaffeeduft zog durchs Zimmer. Jemand reichte dem Oberst eine Tasse, und er leitete die Besprechung ein, indem er Tad aufforderte zu erklären, wie er sich den ganzen Vormittag lang den Sicherheitseinheiten hatte entziehen können. Wickert, der nur Hauptmann war, ärgerte seine Kameraden mit der Feststellung, es wäre einfach gewesen und die Sicherheitseinheiten wären nicht koordiniert vorgegangen. Er zeigte auch, warum, zeichnete Pfeile auf Karten und schlug andere Strategien vor. Wickert gehörte zu den zwei Personen im Zimmer, die militärische Erfahrung hatten. Der Oberst hatte selbst nie die Uniform seines Landes getragen. Außer seinem Bruder Jack wußte das jedoch niemand. Für den Rest hatte Steve Gallagher ein Dutzend Jahre lang bei der Gefechtsinfanterie und den Rangers gedient. Daß es ihm gelang, diesen Schwindel durchzuziehen, zeugte von seinem umfassenden Interesse für militärische Verfahren und Technik und von seiner Fähigkeit im Umgang damit. Tad Wickert hatte etwas Kaltes und vage Reptilienhaftes an sich. Jack hörte ihm zu, verfolgte mit, wie Wickerts Augen geschmeidig durch den Raum wanderten, sah, wie seine Zunge gelegentlich über die Oberlippe strich, und er spürte die ständigen berechnenden Gedankengänge dieses Mannes. Wickert ließ sich nie die Chance entgehen, seine Kameraden als inkompetent darzustellen.
Als er fertig war, erbat Steve Kommentare, hörte sie sich pflichtbewußt an und ergänzte sie dann um eigene Feststellungen. Petersons Einheit hatte zu langsam reagiert, als ihre Planungen schiefgingen; Barber hatte es versäumt, mehrere Möglichkeiten vorwegzunehmen; deshalb hatte das Terrorkommando auf ganzer Linie Erfolg gehabt, war entkommen und hatte dabei nur einen Mann verloren. Es war, deutete er damit an, eine klägliche Vorstellung der Sicherheitseinheiten gewesen.
Wenn Steve Gallagher nie gedient hatte, hatte es nicht an mangelndem Interesse gelegen. Er hatte mit Asthma und zahlreichen Allergien zu kämpfen gehabt und deshalb nicht den bunten Rock anziehen
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