Mondsplitter
der Mondbasis und in den ersten Stunden des Fluges geherrscht hatte, ging verloren. Warum? Sein bloßer Aufstieg an die Spitze hätte die Barriere nicht wieder errichten sollen, in die das Feuer gemeinsamer Gefahr eine Bresche geschlagen hatte. Und doch passierte es, und er wußte, daß er zum Teil selbst dafür verantwortlich war. Er versteckte sich jetzt die meiste Zeit hinter seinem Funktelefon und redete mit den Machern. In den Augen der Mitreisenden war Respekt an die Stelle der Zuneigung getreten. Er fragte sich, ob er nicht einen zu hohen Preis für die politische Macht zahlte.
Saber lauschte den Durchsagen in ihrem Kopfhörer. Sie schwenkte das Mundstück nach vorn und nickte. »Er steht direkt neben mir, Lowell«, sagte sie. »Warten Sie.« Sie forderte Charlie mit einer Handbewegung auf, sich auf den Platz rechts zu setzen.
»Charles Haskell«, meldete sich Charlie.
»Herr Präsident, Grüße von der Percival Lowell. Wir freuen uns über die Gelegenheit, Sie an Bord nehmen zu können, Sir.«
Charlie starrte die Funkkonsole an. Selbst hier draußen, unter diesen Umständen, war alles Politik. Und er verstand sofort, was Rachel Quinn – er war ihr einmal begegnet – wollte. Vergessen Sie den Mars nicht! »Danke«, sagte er und achtete darauf, seinen Tonfall vom Widerwillen frei zu halten. »Wir freuen uns alle, Sie zu sehen.«
Etwas knallte an den Rumpf. Ein letzter Felsbrocken für den Mikrobus. Sie brachen ab und warteten, ob die Sirenen losheulten. Aber weder geschah das, noch leuchteten rote Warnlampen auf.
Saber spürte sein Unbehagen und rettete ihn: »Lowell, ist alles für den Umstieg bereit?«
»Jederzeit. Haben Sie überhaupt noch Energiereserven?«
»Negativ.«
»Okay. Dann warten Sie einfach. Wir kümmern uns um alles.«
Das interplanetare Raumschiff wurde jetzt deutlich sichtbar. Es war ein langes, elegantes Fahrzeug, schlank und praktisch, und seine Lichter verbreiteten einen warmen Schein. Die Zivilisation, die ein solches Schiff bauen und hinaus ins Dunkle schicken konnte, hatte eine Zukunft. Charlie beschloß, daß er nicht danebenstehen und zusehen würde, wie die Zukunft in andere Bahnen gelenkt wurde.
Sein Funktelefon läutete. »Ja, Al?«
»Schlechte Nachrichten, Charlie. Der Possum kehrt zurück.«
Er war so betäubt von der Litanei der Katastrophenmeldungen, daß ihm diese nur wie eine weitere Zeile vorkam, eine letzte Zahl zu einem Eisenbahnunglück.
»Sie meinen, er kommt herunter?« fragte er schließlich.
»Yeah.«
Er schloß die Augen und bemühte sich, das Gefühl von der ungeheuren Leere jenseits der Schotten zu verbannen.
»Wann? Wie lange noch?«
»Dienstagmorgen. Um fünf herum.«
Charlie setzte sich einen Kopfhörer auf. »Sind Sie sicher?«
»Yeah. Na ja, die Experten sagen, es wäre noch zu früh, um völlig sicher zu sein, aber sie möchten, daß wir vom Schlimmsten ausgehen.«
»Okay. Setzen Sie sich wieder mit Feinberg in Verbindung, mit der NASA, und besorgen Sie die Fakten. Wir haben keinen Spielraum für Vermutungen.«
»Okay, Herr Präsident.«
Charlie entging dieser Rückfall in die Förmlichkeit nicht. »Wo?« fragte er. »Wo wird er einschlagen?«
»Im Zentrum von Kansas, wie es aussieht.«
»Mein Gott! Wir kriegen wirklich keine Pause, wie? Okay, Al, damit sind wir wieder bei den Atomraketen.«
»Das haben wir uns auch überlegt. Wir können nicht einfach zuschauen …«
»Absolut richtig. Sagen Sie mir Bescheid, sobald Sie wissen, was Sie in der Hand haben. Alles andere stellen wir zurück. Wir müssen dieses Scheißding loswerden. Sprechen Sie nicht nur mit dem Militär. Sprechen Sie mit Feinberg und jedem anderen da draußen, der vielleicht eine Ahnung hat, was wir tun können. Alle Zahlen sollen noch einmal geprüft werden.« Er verfolgte mit, wie die Lichter der Lowell größer wurden. »Was gibt es sonst noch?«
»Ich weiß nicht recht, was wir mit Henry machen sollen. Wir haben einen gemeinsamen Gedächtnisgottesdienst für ihn und Emily am Mittwoch angesetzt. Allerdings herrscht Uneinigkeit darüber. Alles Prunkvolle sieht vielleicht nicht gut aus, unter den jetzigen Umständen. Seine Familie findet, so, wie die Dinge sind, sollten wir die Zeremonie bescheiden gestalten.«
Gott sei Dank. Das war wenigstens ein Problem, das man lösen konnte. »Hören Sie, Al, falls Sie recht haben, was den Possum am Dienstag angeht, gibt es vielleicht gar keinen Mittwoch mehr.«
Kerr antwortete nicht.
»Die Familie hat recht«, fuhr
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