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Mondsplitter

Mondsplitter

Titel: Mondsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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der Atmosphäre freigekämpft hatte. Er war beträchtlich langsamer geworden und natürlich auf einem neuen Kurs aufgetaucht. Bei der Passage hatte er fünf Prozent an Masse verloren.
    Ihr Display zeigte die kalkulierte Bahn des Possums, die ihn auf einem langen schmalen Bogen von der Erde weg- und dann wieder zurückführte.
    Noch war es zu früh, um sicher zu sein. Cynthias Instinkte sagten ihr jedoch, daß Feinberg recht behalten würde. Wieder mal.
    Sie trank den Kaffee aus, seufzte und griff zum Telefon.
     
     
AstroLab, 15 Uhr 36
     
    Feinberg saß in seinem weißen Fleetwood unter ein paar Bäumen (eine Baufirma goß gerade Asphalt auf den Parkplatz) und blickte zum AstroLab hinauf. Das Gebäude war eine flache Spirale aus Stahl und Glas, wobei zwei Umfassungsflügel aus einer Querstange herausragten. Nachts und bei günstigem Licht ähnelte der Komplex einem Balkenspiralnebel des Typs SBa. Jetzt, mitten am Nachmittag, mitten am heutigen Nachmittag, sah er vage einer übergroßen Fledermaus ähnlich, die sich vor dem Tageslicht versteckte. Feinberg wollte nicht hineingehen. Er hatte gehofft, der Possum würde sich einfach entfernen; hatte gehofft, die Atmosphärenpassage würde ihn nicht zu stark verlangsamen und ihn auf eine anständige Flugbahn schicken. Also hatte er den Brocken aus seinen Gedanken verbannt, so wie er ihn gern auch vom Planeten verbannt hätte, und war nach Hause gefahren, um zu schlafen. Um sich davor zu verstecken, wohl wissend, daß Cynthia anrufen würde, wenn sich die Dinge doch wie erwartet entwickelten.
    Und Cynthia rief an.
    Das Rasseln des Telefons reichte schon. Er blickte auf die Uhr und wußte Bescheid, ehe er abhob, ehe Cynthia auch nur seinen Namen ausgesprochen hatte. Und der Name war alles, was sie sagte.
    »Welches Apogäum?« fragte er.
    »Zweihundertsiebenunddreißigtausend Kilometer.«
    Keine Überraschung.
    »Welches Perigäum?«
    »Knapp.«
    Wie knapp?
    »Sieht nach einem Glockenschlag aus.«
    237.000 Kilometer. Das klang nach Dienstag. Sie erhielten also keine große Atempause.
    Er stieg aus dem Wagen und machte sich auf den Weg zum Labor hinauf. Es war ein strahlender Aprilnachmittag, träge und kühl. Der Wind raschelte in den Zweigen, und die Sonne stand hoch und hell. Der beißende Gestank nach Asphalt rief Erinnerungen an Feinbergs Jugend im südlichen Boston wach, wo die Straßen in einem fort neu asphaltiert wurden. Und wo sich die Zukunft endlos ausdehnte.
    Er trottete den langen, geschwungenen Kiesweg hinauf, erstieg die weiße Steintreppe und schob sich durch die Glastür. Die Sicherheitsfrau in der Eingangshalle blickte auf und lächelte. »Guten Tag, Professor Feinberg«, sagte sie. Sie war um die fünfundzwanzig und hübsch auf eine Art, wie sie für alle Frauen dieses Alters galt. Ihr Blick ruhte einen Augenblick zu lang auf ihm, fast kokett, aber doch nicht ganz. Sie hieß Amy und war, wie er gehört hatte, seit kurzem verlobt.
    Sie musterte ihn stirnrunzelnd. »Alles okay mit Ihnen, Professor?« fragte sie.
    Ihre angenehme, klimatisierte Welt mit ihren Geschirrspülmaschinen, Videotelefonaten und ihrer relativen Sicherheit stand im Begriff, über ihr einzustürzen. Er fragte sich, ob sie das wußte. »Ja«, sagte er, »alles in Ordnung.«
    Cynthia wartete schon auf ihn. »Tut mir leid, Wes«, sagte sie.
    »Na ja, wir wußten schließlich, daß es passieren würde, nicht wahr?« Er zog sich den Pullover aus und warf ihn über die Rückenlehne eines Stuhls. Ein halbes Dutzend ihrer Mitarbeiter waren auch schon da, drängten sich um die Displays und unterhielten sich gedämpft.
    Er nahm sich Zeit, um die Zahlen durchzugehen, und hoffte, irgendwo einen Fehler zu entdecken. Als ihm das nicht gelang, lehnte er sich zurück und massierte sich die Stirn. Vier vor fünf am Dienstagmorgen. »Wir sagen lieber dem Präsidenten Bescheid«, meinte er.

 
9.
     
     
Mikrobus, Passagierkabine, 15 Uhr 47
     
    CNN brachte eine Pressekonferenz der dienstälteren Senatorin von Idaho. Sie war das Sprachrohr Tom Clays, des Mehrheitsführers und wahrscheinlichen Gegners für Charlie im November. Selbst Clay sollte jedoch, fand Charlie, inzwischen bereit sein, mehr zu sehen als nur das Weiße Haus.
    Aber so lief es nicht. »… sollte zurücktreten«, sagte sie gerade und blickte direkt aus dem Bildschirm. »Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe nicht das Bedürfnis, Charlie Haskell anzugreifen. Ich habe heute morgen schon ein paar elektronische Autoaufkleber gesehen,

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