Mondsplitter
Bett zusammen, dankbar für die Chance, sich auszustrecken. Aber trotz der Müdigkeit wollte sich der Schlaf nicht einstellen.
Sie gab nach einer Weile auf und ging hinunter auf die Hauptpromenade, um sich etwas zu essen zu suchen. Fast alle Geschäfte waren geschlossen, aber sie fand ein paar Restaurants. Sie entschied sich für Mo’s, das stark mit einem Motiv der Three Stooges [xi] geschmückt war.
Das Restaurant war überfüllt. Andrea sah sich nach vertrauten Gesichtern um und entdeckte ein paar von ihrem Flug, setzte sich dann aber allein an den einzig freien Tisch. Über einer zentralen Bar zeigte ein Fernseher Nachrichten von der Erde. Jemand sprach über einen Gedenkgottesdienst für Henry Kolladner. Andrea mußte daran denken, daß der US-Präsident gestorben war und sie es kaum bemerkt hatte.
Sie las die Speisekarte durch und entschied, daß sie eigentlich keinen Hunger hatte, sondern einfach nur etwas kauen wollte, was keine Raumfahrerkost war. Toast und Kaffee sahen gut aus. Sie drückte die Tasten für ihre Wahl und legte das Kinn in die Hände. Die Tränen, die sie so viele Stunden lang zurückgehalten hatte, liefen ihr über die Wangen.
Mo war ein zu öffentlicher Ort, um die Fassung zu verlieren, also versuchte sie, den sich anbahnenden Weinkrampf zu unterdrücken. Dann stellte sie fest, daß eine Frau im NASA-Overall auf sie hinunterblickte.
»Hallo«, sagte die Frau. »Macht es Ihnen was aus, wenn ich mich zu Ihnen setze?«
Sie hatte dunkle Haare und wache braune Augen und zeigte einen liebenswürdigen Ausdruck, in dem sich sofort Besorgnis ausbreitete, als sie Andrea richtig wahrnahm. »Sind Sie okay?« fragte sie.
Andrea schniefte, wischte sich die Nase ab und lächelte. »Es tut mir leid. Ja, bitte. Natürlich, setzen Sie sich.«
Die Frau ließ sich auf einem Stuhl nieder. »Jemanden verloren?« fragte sie vorsichtig.
Andrea nickte und spürte, wie ihr die Tränen in einer Flut wieder hochkamen.
»Lassen Sie es zu«, sagte die Frau. »Es ist schon okay.« Sie packte Andrea am Handgelenk und drückte es beruhigend. »Ich bin Tory Clark«, sagte sie, als der Sturm nachließ. »Ich arbeite im Orbitallabor.«
»Physik?«
»Astronomie.«
Andrea nickte. »Muß eine aufregende Zeit für Sie sein.« Sie sah, wie der Ausdruck der anderen Frau auf einmal trostlos wurde. »Verzeihung«, sagte Andrea. »So habe ich es nicht gemeint.«
»Ist schon in Ordnung. Es war für alle schwer.«
Andrea hatte das Gefühl, sich in einem Traum zu bewegen. »Ich heiße Andrea Bellwether.« Sie streckte die Hand aus und lächelte.
»Berühmter Name.« Tory erwiderte das Lächeln.
Andrea nickte. »Er war mein Vater.«
»Oh.« Tory schluckte ihre Verlegenheit hinunter. »Ein Mundwerk wie ein Münzschlitz«, sagte sie. »Es tut mir leid.«
»Ist schon okay. Es liegt lange zurück.«
Sie saßen da und sahen zu, wie die Bedienung zwei Gläser brachte und mit Wasser füllte. »Hören Sie«, sagte Tory und blickte dabei auf die Speisekarte. »Ich denke, ich brauche was Richtiges zu trinken. Wie sieht es mit Ihnen aus? Ich lade Sie ein.«
AstroLab, 15 Uhr 11
Cynthia Murray war sechs Jahre lang Direktorin auf dem Kitt Peak gewesen. Sie hatte sich beurlauben lassen, um mit Wesley Feinberg im AstroLab kosmische Direktionalität zu kartographieren und, noch wichtiger, verstehen zu lernen. Für ihre Arbeit auf dem Gebiet makrogalaktischer Strukturen hatte sie sich schon Ansehen erworben. Zur Zeit ging es ihr nicht anders als ihren Kollegen, und sie wurde von der Possum wache in Anspruch genommen. Und besonders davon, POTIM-38 zu verfolgen.
Cynthia hatte fünf Ehemänner hinter sich. Einer war gestorben; die anderen erwiesen sich mit der Zeit aus dem einen oder anderen Grund als ermüdend. Leidenschaftliche Gefühle hegte Cynthia nur für ihre beiden Töchter (vom zweiten und vierten Ehemann) und für die Galaxien. Für die meisten Männer war das natürlich ein Nachteil, sogar für andere Astronomen. Das konnte sie aber nicht ändern und wollte es auch nicht, und sie akzeptierte schließlich die Tatsache, daß sie einfach nicht dazu geschaffen war, irgend jemandes Ehefrau zu sein.
In Feinberg entdeckte sie so etwas wie ein Spiegelbild, abgesehen davon, daß er einsam war, obwohl er es nie zugegeben hätte. Cynthia andererseits fühlte sich nur einsam, wenn sie ins häusliche Joch eingespannt war, fern von den Teleskopen.
Cynthia trank Kaffee und behielt den Possum weiter im Auge, nachdem er sich aus
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