Mondsplitter
Dazu kommt die Flugzeit nach Skyport.«
»Yeah«, sagte Tony. »Ich hoffe, daß sie reichlich Sandwiches mitgebracht haben.«
Saber verzog das Gesicht. »Ich hoffe, daß sie dort ein gutes Ventilationssystem haben.«
Der Computer gab den Countdown bis zur Manöversequenz durch. Tony stieg hinunter in die Passagierkabine und täuschte eine einstudierte Gelassenheit vor. Beim Einsteigen hatte er schon bemerkt, daß einigen der Leute unbehaglich zumute war, und er wollte ihnen verdeutlichen, daß hier nichts Ungewöhnliches und sicher nichts Gefährliches ablief.
Es war geplant, daß sich der Mikrobus in eine Position senkrecht zur Längsachse der Raumfähre manövrierte. Das war kein Problem für die Computer, aber den Passagieren würde die ungewohnte Perspektive den Magen umdrehen. Tony erläuterte, daß ihnen vielleicht übel werden könnte, wenn sie das Manöver verfolgten, und er schlug vor, die Jalousien an den Fenstern zuzuziehen. Als einer der Väter Anstalten dazu traf, beschwerte sich sein Sohn lautstark. Der Vater gab nach, nahm jedoch ein Magazin zur Hand und vergrub den Kopf darin.
Tony kehrte für die Anflugphase aufs Flugdeck zurück. Der Autopilot korrigierte den Abfangkurs leicht und gab dabei über das Haupttriebwerk mehrmals kurz Schub. Danach leitete er eine lange und komplizierte Sequenz von Schüben aus den Fluglagejets ein. Damit wurden zum erstenmal seit der Installation des fehlerhaften Ventils umfangreiche Manöver nötig.
Der Mikrobus rotierte und brachte die Andockluke in Position. Seine Sensoren tasteten die Raumfähre ab, während der Bordcomputer mit seinem Gegenstück auf der Fähre kommunizierte und den tatsächlichen Anflugswinkel des Mikrobusses mit den Idealwerten verglich. Derweil sickerte wieder unverbrauchter Treibstoff aus der zwölften Düse.
Dies geschah in Form eines leichten Dunstes, der allmählich die Sensoren störte und eine gewisse Unsicherheit, gelegentlich sogar Widersprüche, in ihre Meßergebnisse brachte. Der Bordcomputer versuchte die Widersprüche zu kompensieren, und feuerte die Jets ein ums andere Mal. Dabei pumpte er immer mehr Aluminiumpulver in die unmittelbare Umgebung des Mikrobusses.
Die ungewöhnliche Aktivität fiel Tony allmählich auf. Er runzelte die Stirn, schrieb den Vorgang aber der Tatsache zu, daß sie den Flugplan geändert hatten und sich der Mikrobus der Raumfähre in einem keineswegs idealen Winkel angenähert hatte. Er rätselte noch darüber, als Saber ihn auf die Radarsignale aufmerksam machte.
Das Bild der Raumfähre auf dem Display war weniger scharf geworden. Die Radarsignale kamen immer noch in der richtigen zeitlichen Abfolge herein, aber teilweise abgeschwächt.
»Was geht da vor?« fragte er und überprüfte rasch die Instrumente. Alles schien okay.
Die Jets zündeten erneut. Sterne leuchteten durch Rauchschleier hindurch. Saber schüttelte den Kopf. »Irgendwas stimmt da nicht«, sagte sie.
Tony entdeckte schließlich den grauen Dunst aus Aluminiumpulver, gerade als die Treibstoffwarnlampe erneut aufleuchtete. Er kontrollierte seine Instrumententafel. Die Radarsignale wurden immer undeutlicher und verschwammen über den ganzen Monitor.
»Wir haben irgendwo eine geplatzte Leitung«, sagte Saber.
Der Radarmonitor verwandelte sich in reine Suppe.
Tony schaltete auf Handsteuerung und blickte hinaus in den dichten Nebel. »Wo steckt die gottverdammte Raumfähre?« Sie hatten sich ihr auf weniger als fünfzig Meter genähert, aber jetzt war die Maschine im Dunst nicht mehr zu erkennen, unsichtbar sowohl für ihre Augen als auch ihre Sensoren. Tony öffnete einen Funkkanal. »Berlin, hier spricht der Mikro. Wir haben ein Problem.«
Rauschen. Dann die Stimme des Piloten. Tony verstand durch die Störungen nur wenige Worte: »… Sie gehört, Mikro … treiben … empfehlen.«
»Kann überhaupt nichts sehen.« Saber schaltete von Monitor zu Monitor. Alles hatte sich bewölkt. Die Fenster sahen inzwischen wie armselig versilberte Spiegel aus.
Tony schaltete auf Handbedienung und versuchte es erneut mit dem Funkgerät. Die Übermittlung brach vollständig ab. Er mußte aus der Wolke wegkommen, aber er war der Raumfähre zu nahe, als daß er es mit dem Haupttriebwerk hätte riskieren können. Falls er die Richtung falsch einschätzte …
»Was machen wir?« fragte Saber.
»Ich hoffe, daß sie uns sehen können«, sagte er. »Wir rühren uns nicht, damit er von uns abdrehen kann.«
5.
Mondorbit, 14 Uhr
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