Mondsplitter
schüttelte Charlie den Kopf, sagte aber nichts.
Rick schwieg eine Zeitlang. »Ich habe gehört«, sagte er, »daß auch der Kaplan zurückbleibt.«
»Der Kaplan?« Charlie machte schmale Augen.
»Yeah«, sagte Rick. »War auch mein Gedanke.«
Weitere Händeschüttler tauchten auf. Der Vizepräsident begegnete ihnen mit seiner üblichen Freundlichkeit. Er hatte die Gabe, seinem jeweiligen Gesprächspartner das Gefühl zu vermitteln, als wäre alles, was er heute getan hatte, nur Vorbereitung für diese Begegnung gewesen. Er freute sich, ihre Bekanntschaft zu machen, sagte er zu den Leuten. Und er war stolz auf das, was sie erreicht hatten.
»Was meinst du mit: auch dein Gedanke!« fragte er Rick, sobald sie wieder allein waren.
»Na ja, du weißt schon. Der Kaplan sieht einfach nicht nach jemandem aus, der so was wirklich tut.«
Haskell schloß für einen Moment die Augen. Die Rundspruchanlage verkündete, die Passagiere des GRÜNEN Fluges könnten jetzt einsteigen.
»Zeit zu gehen«, sagte Rick.
Der Vizepräsident rührte sich eine ganze Weile lang nicht. Endlich schüttelte er den Kopf. »Nein«, sagte er, »ich kann das nicht tun.« Er wandte sich an Sam, auf dessen Gesicht sich Entsetzen ausbreitete. »Sie und Ihre Leute steigen ein«, sagte er. »Sorgen Sie dafür, daß jemand mein Ticket erhält.«
»Das kann ich nicht machen!« protestierte Sam.
»Doch. Ich sorge dafür, daß Ihre Einwände zu Protokoll genommen werden.« Er schüttelte Rick die Hand und dankte ihm.
»Was machst du da?« fragte Rick.
»Ich weiß nicht recht«, antwortete Charlie. »Aber ich weiß, was ich nicht tun kann.«
Kopenhagen, Flugdeck, 12 Uhr 51
Nora Ehrlich zündete die Triebwerke und ließ sie im Leerlauf, während sie auf ihrer Umlaufbahn weiterglitt. Um präzise 13 Uhr 02 gab sie schließlich Schub, und die Raumfähre startete mit 136 Passagieren an Bord aus dem Orbit und nahm Kurs nach Hause.
Mondbasis, Grissom Country, 13 Uhr 47
Evelyn Hampton hatte die Evakuierung der Mondbasis Jack Chandler überlassen und sich darum gekümmert, das Unternehmen Mondbasis International auf die künftige Lage vorzubereiten. Sie ernannte einen Wunschkandidaten für ihre Nachfolge und entwickelte eine Strategie, die es dem Unternehmen nach Kapitel elf des Bankrottgesetzes vielleicht ermöglichte, in neuer Form weiterzumachen.
»Wir können nicht einfach aufgeben«, erklärte sie dem Vorstand. »Wir haben jetzt die technischen Mittel, um über die Erde hinaus zu expandieren. Die Erfahrung mit Tomiko sollte uns nicht abschrecken, sondern uns vielmehr als Warnung dienen.«
Zunächst einmal gab es Projekt Skybolt, überlegte sie, einen Orbitallaser, der fähig gewesen wäre, anfliegende Kometen in Stücke zu schneiden. Das Projekt war jedoch zwangsläufig in den Ruf geraten, nur aus Gründen persönlicher Protektion betrieben zu werden. Es war leichte Beute für Sparvorschläge, und nach fünfzehn Jahren und etlichen abgebrochenen Starts war es immer noch nicht über das Entwurfsstadium hinaus. Sogar Culpepper hatte sich dagegen ausgesprochen. Wir brauchen es zur Zeit nicht. Skybolt hätte gegen Tomiko natürlich nicht viel genützt, aber vielleicht wäre es nach der Kollision ganz nett gewesen, den Laser zu haben, falls sich Bruchstücke des Mondes der Erde näherten. Und wenn wir schon nichts sonst daraus lernen, so wissen wir jetzt doch wenigstens, daß die Gefahren sehr real sind und ein wirklicher Bedarf an einer planetaren Verteidigung besteht. Aber es ist noch mehr daran. Viel mehr.
Expansion schien der menschlichen Lebensform genetisch einprogrammiert zu sein. Expandieren oder stagnieren. Aber die westlichen Staaten waren stark verschuldet. Falls es zu einem umfassenden Raumfahrtunternehmen kommen sollte, mußten private Investoren die Führung übernehmen und demonstrieren, daß es sich auszahlte. Es mußte sich als profitabel erweisen.
Das war noch nicht geschehen. Wäre auf Jahre hinaus nicht geschehen. Aber noch immer warteten außerplanetare Industrien darauf, entwickelt zu werden. Und falls der Mond gerade lange genug hier war, um uns als Sprungbrett zu dienen, sollten wir dafür dankbar sein.
Worauf es jetzt ankommt, sagte sie zu MBI, ist, daß wir uns nicht ins Schneckenhaus zurückziehen. Die jetzige Generation verfügt über die Technik und das Wissen, um die Entwicklung einzuleiten. Sollten diese Leute gezwungen werden, sich eine andere Arbeit zu suchen, sollten die Busse und
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