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Mondsplitter

Mondsplitter

Titel: Mondsplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack McDevitt
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Stationsfähren und die einstufigen Raumfähren eingemottet werden, dann ist es vorbei. Sicherlich für unsere Generation. Vielleicht für immer.
    Sie hatte ein paar Abschiedsbriefe vorbereitet, die sie morgen abschicken wollte, falls nötig. Inzwischen verbrachte sie viel Zeit in Jack Chandlers Gesellschaft. Unausgesprochene Botschaften gingen vom einen zum anderen, ein Blick, ein Lächeln, ein Achselzucken. Sie hatten sich schon immer nahegestanden, aber jetzt spürte Evelyn, daß eine Verbindung bestand, die über alles hinausging, was sie je mit einem anderen Menschen erlebt hatte. Es war wie ein leichter Kontakt, über den sie seine Gedanken lesen und an seinen Gefühlen teilhaben konnte.
    Und der Kaplan. Mark Pinnacle. Ein schüchterner kleiner Mann, der auf dem Rednerpodium so ängstlich gewirkt hatte. Wer hätte das gedacht? Sie war sehr erfreut gewesen, als sie von seinem Angebot erfuhr. Sie hatte Chip Mansfield herbeirufen und ihm mitteilen können, daß er vom Haken war. Und falls sich noch jemand freiwillig meldete, konnte sie auch Benning loswerden, die als nächste auf der Liste stand. Evelyn verabscheute die Vorstellung, die letzten Stunden ihres Lebens mit Menschen zu verbringen, die nur zurückgeblieben waren, weil jemand sie dazu gezwungen hatte. Lieber in Gesellschaft der Kühnen sterben.
    Sie stieg aus ihrem Overall. Es war ein langer Tag gewesen, und sie sehnte sich nach einer Dusche. Sie konnte es jetzt rechtfertigen: Es war nicht mehr nötig, Wasser zu sparen.
    Das Telefon klingelte, als sie die Duschkabine betrat, aber sie scherte sich nicht darum. Sie konnte sich ja noch darum kümmern, wenn sie fertig war. Der endgültige Notfall war über sie hereingebrochen, und von nichts würde sie sich mehr hetzen lassen. Nicht in diesem Leben.
    Evelyn war in Dakar geboren. Ihr Vater war britischer Missionar gewesen, die Mutter Dozentin für französische Literatur an der Universität des Senegal. Evelyn verkündete früh, sie wollte Ärztin werden. Sie kannte die Lebensbedingungen der Stämme aus erster Hand und hatte vor, ihr Bestes zu tun. Das war ein bewundernswertes Ziel, das jedoch während ihrer High-School-Zeit verblaßte, als sie einen Widerwillen gegen Chemie und Physik entwickelte.
    Sie ging auf die Universität von Versailles, wo sie zu dem Schluß gelangte, daß man viel mehr Geld verdienen konnte, wenn man der Mittelklasse Phantasien verkaufte, als wenn man die Armen medizinisch zurechtflickte. Die Welt der Computersimulationen brach allmählich über die Gestade Afrikas herein, und das in all ihren Manifestationen, diagnostisch, filmisch, therapeutisch, analytisch. Evelyn hatte noch nicht mal ihren Bakkalaureus in der Tasche, als sie schon MicroTech Ltd. gründete, eine Sekretärin einstellte und sich bei schlecht informierten Bürokraten Lizenzen sicherte.
    Von diesem Augenblick an steuerte sie das Wachstum der Industrie im Senegal und den umliegenden Gebieten. Sie profitierte ansehnlich von ihrem Monopol und expandierte nach Mauretanien, Ghana, Sierra Leone und in die Elfenbeinküste. Das organisierte Verbrechen versuchte, sie in die Tasche zu stecken, aber sie mietete sich eine eigene Elite-Sicherheitstruppe und erwies sich im Vergleich zur Unterwelt letztlich als zäher. All das fand unmittelbar vor dem afrikanischen Boom statt. Als dieser eintrat, handelte sich Evelyn einen Platz im Vorstand von Global Communications Ltd. ein.
    Sie war an der richtigen Stelle, als die Nationen beschlossen, eine permanente Präsenz auf dem Mond zu begründen, und ein Unternehmen benötigten, das ihnen dabei half.
    Eine Zeitlang widmete sie sich wieder komplett MicroTech, nur auf globaler Ebene. Sie wurde 2022 Frau des Jahres von Time, beschäftigte ein halbes Dutzend Nobelpreisträger und war mit Premierministern und Präsidenten auf Du. Ihr von einem Ghostwriter geschriebenes Buch Mond über der Wall Street stand inzwischen in der siebenundfünfzigsten Woche auf der Bestsellerliste der New York Times.
    Sie hatte zweimal geheiratet. Marcus Hampton wurde im Krieg gegen die ostafrikanischen Gewaltverbrecher niedergeschossen. William hatte sich ein falsches Bild von ihr gemacht und geglaubt, sie würde einwilligen, einem Harem anzugehören. Sie wußte nicht, wo er inzwischen war.
    Von Marcus hatte sie einen Sohn, der in Roxbury bei ihr lebte. Er beschäftigte sich am MIT mit seiner Doktorarbeit. Alt genug, um mit dem Verlust der Mutter fertig zu werden. Falls es dazu kam.
    Das Telefon klingelte wieder,

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