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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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gespürt. Denn unser Planet lebte sein Sternenleben, atmete mit Riesenlungen, nährte sich aus den Feuern unter der Erdkruste. Dies alles spürten Peter und ich, wenn wir am frühen Abend durch die Tempelruinen von Hagar Qim wanderten; der Abendhimmel war Perlenglanz, Mondsichel und Abendstern schimmerten hinter den Steinriesen am Himmelssaum. Wir gingen Seite an Seite, stumm und ergriffen. Wer nur, Menschen oder Riesen, hatten einst die Monolithen aufgestellt? Wer hatte sie zerstört, die plündernden Feinde oder lediglich die Zeit? Hier war die Vergangenheit nicht gelöscht, nur unerreichbar geworden, entrückt in jene Dimension, in der sich auch Giovanni und Viviane bewegten; die Dimension des »es war einmal«. Die Orte der Vergangenheit gleichen Bienenwaben, vergeistigt vom Echo vergangener Träume. Erinnerungen lassen sich sammeln wie Honig.
    Und auf Malta gab es viele dieser Orte, beseelt mit Geistern und Stimmen. Die Ruinen von Tarxien, Mnajdra, Skorba
und Ggantija, auf der Insel Gozo, entsprangen Architekturgedanken, die zunehmend an Bedeutung gewannen. Nach Jahren der Vernachlässigung wurde man auf politischer Ebene aufmerksam. Es galt, ein Erbe zu schützen. Man versah die Anlagen mit einer Umzäunung, stellte Wächter an, verlangte Eintrittsgeld. Den Schäfern und Jägern, die in den Ruinen schliefen, und den Jugendlichen, die gelegentlich dort ihre Trinkgelage abhielten, wurde das Gelände verboten. Die Touristen sollten weder Scherben noch Kondome, weder menschliche Exkremente noch Damenbinden vorfinden.
    Peter und ich erlebten diese Entwicklung als Gymnasiasten, genau im richtigen Alter, um davon berührt zu werden. Im Gedächtnis geblieben ist mir – aus naheliegenden Gründen – auch dieser Ausflug zur Insel Filfla, der sogenannten »Pfefferinsel«. Die Idee kam von Peter, der Zugvögel wegen, die dort auf ihrem Migrationsweg nach Afrika Station machten. Wir hatten ein Boot gemietet, waren frühmorgens der Insel entgegengefahren. Wie konnten wir ahnen, dass das Schicksal auf Filfla bereits die Fäden webte, die uns fangen würden wie in einem Netz? Noch berührte uns kein Vorgefühl, noch waren wir unbefangen. Uns fehlte Vivianes Gabe, durch die Zeiten zu schlüpfen. Sie hätte uns warnen können, aber auch Viviane war fern.
    Das Boot war, wie die meisten Boote hierzulande, blau und türkisfarben gestrichen und trug am Bug ein gemaltes Auge, als Schutz gegen den bösen Blick. Das Boot hatte einen kleinen Außenbordmotor, den Peter geschickt anspringen ließ. Gemächlich schaukelten wir durch die leichte, volle Dünung. Die Meereslungen atmeten, die Wasserhaut hob sich gleichmäßig. Die Überfahrt dauerte nur eine halbe Stunde, die Kalksteinklippen wuchsen vor unseren Augen, und die Felsen, teilweise gelöst, schienen im labilen Gleichgewicht zu balancieren. Peter fuhr nahe an die Insel heran, bis wir knapp unter den Felsen waren. Die Nase des Bootes stieß auf den kleinen Kieselstrand, wir befestigten die Leine an einem Stein,
schnallten unsere leichten Rucksäcke um und begannen den Aufstieg, wobei uns dann und wann das unheimliche Gefühl überkam, dass die im scheinbar labilen Gleichgewicht aufgetürmten Felsbrocken plötzlich ins Rutschen kommen könnten, um uns unter ihrer Masse zu zermalmen. Doch nichts rührte sich, nur kreischende Seeschwalben umschwärmten uns in wilden, neugierigen Kreisen. Hoch oben, am Rand der Felsmauer, blickten Reiher, einer neben dem anderen, unbeweglich zu uns hinab, wie die Wächter einer verwunschenen Welt. Wenn alles darauf ausgerichtet ist, höher zu kommen, geht es schnell vorwärts. Wir erreichten bald unser Ziel. Der Abstieg würde mühsamer sein. Oben wuchsen kleine Ginsterbüsche und verschiedene Sorten von Flechten. Zahlreiche Vögel nisteten hier. Wir entdeckten auch Kröten und Salamander, die in Pfützen lebten, die das Regenwasser gebildet hatte. Ferner gab es einige – allerdings kümmerliche – Reste aus der Jungsteinzeit sowie die Ruinen einer kleinen Kapelle. Es war ein verwunschener Ort, der langsam zur seinen Ursprüngen zurückfand, denn die Insel war heute Naturschutzgebiet; sogar Taucher benötigen eine Sondergenehmigung. Damals war man noch nicht so strikt, obwohl wir auch auf der Insel – nach mühsamem Hochklettern an der Felswand – vereinzelte Hülsen von Schrotkugeln fanden. Aber die hier nistenden Vögel waren zutraulich, was zeigte, dass sie mit der menschlichen Schießlust noch wenig in Berührung gekommen waren.
    Allerdings

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