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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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für die ich mich verpflichtet habe, aber neue Angebote nehme ich nicht mehr an. Meine Kerle sind schon auf der Suche nach neuen Engagements. Aber es ist schon okay, sie kennen das Geschäft.«
    Sie saß vor mir, und ich spürte ihn deutlich, den unsichtbaren unmittelbaren Puls der Energie, der in ihr klopfte, durch ihren grazilen Körper. Früher war sie ständig in Unruhe gewesen, hatte den Kopf hin und her bewegt, mit dem Fuß gewippt und so weiter, und ich fragte mich, wie schon so oft, welche Kreatur ich da vor mir hatte, so präsent, so gespannt, und gleichzeitig schon so entrückt. Eine Mondtänzerin, die ihr Leben fest genug im Griff hatte, um nie den Verstand zu verlieren.
    Für mich gab es noch eine Frage; ich war noch nicht dazu gekommen, sie zu stellen.
    »Als du in Valletta warst, hast du Peter gesehen?«

    Zwischen Vivianes blassen, aber schön geschwungenen Brauen zeigte sich die kleine Falte.
    »Ja. Er sitzt in der Scheiße, würde ich sagen.«
    »Er mailte mir, dass er Krach mit seinem Vater hat.«
    »Der ist stocksauer. Wie, sein Sohn will Tierarzt werden? Was für eine Blamage! Für den Herrn Papa ist der Arztberuf keine Berufung, sondern ein Kreislauf von Rendite und Endproduktion. Peter findet diese Gesinnung abscheulich.«
    »Alle unterschätzen Peter«, erwiderte ich. »Man glaubt, dass er sich nichts zutraut. In Wirklichkeit hält er viel Seelendruck aus, lässt sich nicht ablenken und wartet, bis ein günstiger Augenblick kommt. Und dann tut er genau das Richtige.«
    Viviane lachte leicht auf.
    »Er sagte zu mir, er käme sich wie eine Kaulquappe in einem gestörten Biotop vor. Ein vergiftetes Biotop sei tot, und er wolle nicht im Schlamm ersticken.«
    »Und seine Mutter?«
    »Die Ziege Micalef? Weißt du noch: Die ›kleine rothaarige Schlampe‹ hat sie mich genannt. Aber als ich bei ihr anrief und nach Peter fragte, war sie eigentlich ganz nett. Sie hält zu ihm und macht sich Sorgen. Sie meint, dass er nicht genug zu essen hat. Er wohnt jetzt bei seiner Schwester, in einem winzigen Zimmer, das er die ›Besenkammer‹ nennt. Er hat nur Platz für eine Couch, einen Schreibtisch und den Computer.«
    »Seitdem hat er mich ohne Nachricht gelassen. Ich habe ihm schon ein Dutzend Mal gemailt. Mindestens. Aber er antwortet nicht. Auch kein Brief, nichts.«
    »Das ist typisch für ihn. Geht es ihm dreckig, verkriecht er sich.«
    »Ja, ich weiß. Aber ich sehe ihn ja bald. In zwei Monaten habe ich meinen Abschluss und bin ich wieder in Valletta. Ich werde mir dort einen Job suchen.«
    Viviane lächelte in sich hinein, wie das ihre Art war.
    »Er sagte, dass du ihm fehlst. Liebst du ihn eigentlich?«

    Ich erwiderte matt ihr Lächeln.
    »Ich habe gelernt, ihn zu lieben, so nach und nach.«
    Viviane hatte einen weichen Glanz in den Augen.
    »Das ist so bei Peter. Er fällt nicht auf, er meldet keine Besitzansprüche an. Er wühlt auch nicht in deinem Leben herum. Er riecht nicht einmal, wie Männer sonst riechen. Und du kriegst auch nicht gleich raus, woran du mit ihm bist. Erst wenn du mit ihm redest oder in seiner Nähe lebst, spürst du, dass er zu deinem Herzen spricht, dass er liebevoll alles hervorlockt, was gut darin ist. Und auch das Finstere akzeptiert er, ohne zu erschrecken. Ich sage dir, Alessa, du kannst glücklich sein, dass du ihn hast.«
    Ich schluckte, aber die Neugier war stärker.
    »Und du? Hast du jemanden, den du liebst?«
    Ein Schatten glitt über ihr Gesicht.
    »Eine Zeit lang war ich nicht sehr wählerisch. Wenn ich einen Mann sah, der mir auch nur ein bisschen anziehend vorkam, musste ich ihn gleich haben. Ich war dauernd verliebt oder auf der Pirsch. Mal sehen, ob der Nächste besser zu mir passt! Es gibt so viele Männer auf der Welt, Milliarden. Aber es gibt nur einen, den ich hätte wirklich lieben können. Und du weißt, wen ich meine…«
    Mein Herz schlug hart an die Rippen. Ich spürte, wie ich innerlich zitterte.
    »Ach, du auch?«, stieß ich rau hervor.
    Sie sah mich an und sah mich nicht wirklich. Ihre Züge waren starr, wie verklärt.
    »Schon immer«, sagte sie.
    Unsere Augen fanden sich, hielten einander fest, mit fast schmerzlicher Zärtlichkeit. Ich brach als Erste das Schweigen.
    »Ich wüsste so gerne, wo er ist …«
    Sie fand in ihren lockeren Tonfall zurück.
    »Er sieht sich die Welt an.«
    Ein beängstigendes Gefühl stieg in mir auf.

    »Vielleicht ist er nicht mehr am Leben?«
    Sie sah mich an mit ihren großen Augen, die zu lächeln schienen und

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