Mondtaenzerin
doch nicht lächelten.
»Oh nein«, sagte sie. »Das hätte ich gespürt. Auch wenn er weit weg ist… etwas davon wäre bestimmt rübergekommen. Nein, tot ist er nicht.«
Es stieg mir heiß in die Wangen.
»Wie kannst du da so sicher sein?«
»Veranlagung«, konterte sie leichthin. »Und sag bloß nicht, dass dich das überrascht. Sonst explodiere ich.«
Ich lächelte krampfhaft.
»Ich habe nichts gesagt.«
Ihre Augen schimmerten im warmen Licht, ich hatte das duselige Gefühl, in zwei ferne, ganz ferne Planeten zu blicken.
»Nein, Giovanni lebt. Aber wir können ihn nicht haben, Alessa. Wir müssen uns das aus dem Kopf schlagen. Du weißt doch, dass er die Aura trägt.«
Meine Stimme zitterte.
»Welche Aura?«
Viviane hob die rechte Hand, ihre Finger mit den roten Nägeln und den leuchtenden Aquamarin zogen einen raschen Kreis um ihren Kopf.
»Perseas dunkle Aura, erinnerst du dich? Die Aura des Unheils.«
31. Kapitel
W ieder zurück auf Malta, um mir eine Stelle zu suchen. Ich wollte eigentlich nirgendwo anders hin. Ich war mit mir recht zufrieden, und so glaubte ich nicht, dass es allzu schwer sein würde. Hier war ich groß geworden, hier hatte es angefangen, hier auf der Insel, zwischen Felsen und Meer. Ich sah manche Veränderungen, die mir gefielen. Hatte man früher wild und planlos gebaut, versuchte man nun, die Neubauten an die alten Gebäude anzugleichen. Es wurde auch viel renoviert, die Straßen waren sauber. Der Hafen war ausgebaut worden, neue Hotels aus Sandstein leuchteten bernsteinfarben. Bars und Diskotheken füllten sich abends mit fröhlichen Jugendlichen, hochgewachsen, laut und unbekümmert. Es gab auch mehr Grün. Neue Kanalisationen und Meerwasserentsalzungsanlagen sorgten dafür, dass das Grundwasser geschont wurde. Das war eine gute Sache. Man hatte auch den Tourismus gefördert, und im August waren die Straßen von spärlich bekleideten Menschen bevölkert, die zumeist einen prachtvollen Sonnenbrand spazieren führten.
Mein zweifaches Erbe war hybride Energie. Daraus ließ sich etwas machen. Ich war jetzt Bachelor in Umweltschutz und »Environment Educator«. Mit diesem Titel bewarb ich mich an der Universität, an verschiedenen Hochschulen. Leider steckte das Fach noch in den Kinderschuhen. Man bot mir die eine oder andere lächerliche Stelle an: Ich war auf die Erhaltung der Biodiversität spezialisiert und sollte jetzt im archäologischen Museum an der Kasse sitzen und Eintrittskarten
verkaufen? Nein danke! Man bot mir auch an, Funde aus dem Neolithikum zu klassifizieren. Nichts für mich: Jede Sekretärin wäre fähig gewesen, die Daten in den Computer zu speichern. Ich wurde langsam nervös. Man bot mir auch eine Stelle bei einem Fotografen an, einem reizenden alten Herrn, Mitglied der ehrwürdigen Royal Photographic Society von Großbritannien. Er reiste jetzt nicht mehr, führte kaum noch interessante Forschungsarbeiten durch, besaß aber über fünfzigtausend Dias und suchte jemanden, der ihm half, seine Dokumentation zu sortieren. Wir hatten angeregte Gespräche und verstanden uns gut, aber ich war leider nicht die Person, die er suchte. Ich wollte draußen sein, an der frischen Luft, und nicht den ganzen Tag in einem Büro schwitzen.
»Warte, du wirst schon das Richtige finden«, meinte Peter, als ich ihn wiedersah und ihm mein Fiasko erzählte. »Du kannst dir leisten, wählerisch zu sein.«
»Zumindest eine Zeit lang«, sagte ich. »Solange ich nicht im Clinch mit den Eltern liege wie du!«
»Ach, mein Vater ist ein harter Brocken!«
Peter nahm es gelassen. Er lebte jetzt in Mosta, bewohnte dort ein Zimmer, kaum größer als die »Besenkammer« seiner Schwester, besuchte tagsüber Kurse und arbeitete abends als Kellner in einer Pizzeria. Von Valletta aus war Mosta in weniger als einer Stunde mit dem Bus zu erreichen; eine hübsche, verschlafene Kleinstadt, sehr provinziell, die nur alle zwei Jahre am 15. August – »Mariä Himmelfahrt« – mit einer grandiosen »Festa« erwachte: Mostas traditionelles, das Böse verscheuchende Feuerwerk zog gewaltige Besucherströme an, sodass man in dem Städtchen kaum einen Fuß vor den anderen setzen konnte. Ansonsten hatte Mosta eine Kirche mit einer der größten freitragenden Kuppeln Europas, ein paar Pubs und Cafés, eine »Pastizzeria«, ein Kino und eine ganze Anzahl Geschäfte für Haushaltswaren. Peter gab zu, dass Mosta nicht unbedingt amüsant war. Notgedrungen war
er jetzt hier für drei Jahre »in der
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