Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
Vom Netzwerk:
waren immer in mir gewesen, ich merkte es plötzlich. Ich sagte leise:
    »Ich dachte an früher.«
    »Ich auch«, sagte er mit ruhiger Offenheit. »Aber jetzt ist alles anders, meinst du nicht auch?«
    Fast war es, als hätte er mich gefragt: »Kennst du mich überhaupt noch?« Er hatte nach wie vor den gleichmäßigen, ruhigen Tonfall, der ihn als Zwölfjährigen so unglaublich ernst hatte erscheinen lassen. Auch später hatte ich seine Stimme gemocht, die sich auch in der Pubertät nie in Fistelstimme oder Krächzen gewandelt hatte. Diese Stimme, diese nachdenklichen Augen, lösten in mir ein schlechtes Gewissen aus, eine seltsame Art von Schmerz. Ich beantwortete auch nicht Peters Fragen, jene, die er gestellt hatte, und jene, die er nicht gewagt hatte zu stellen. Meine Antwort wäre aus der Tiefe gekommen, wo unsere Hoffnungen ruhten und unsere Träume sich formten. Wir teilten ein Geheimnis, über das wir nicht sprachen. Und jeder ließ den anderen allein mit seinen Erinnerungen. Denn Erinnerungen können sehr mächtig sein. Vielleicht waren wir ihnen nicht gewachsen.

32. Kapitel
    I ch wusste noch immer nicht, was ich mit mir anfangen sollte, als Vater mir eines Abends mitteilte, dass das maltesische Fremdenverkehrsamt eine Mitarbeiterin suchte. Die Stelle wäre doch was für mich, oder? Ich war nahe daran, überheblich zu reagieren. Als Forscherin fand ich mich zu gescheit, um Touristen in Kleinbussen durch die Gegend zu führen.
    »Sei nicht töricht, es ist doch besser als nichts«, meinte Mutter in ihrer praktischen Art. »Mach das doch eine Zeit lang, dann siehst du weiter.«
    »Ich weiß ja gar nicht, ob sie mich überhaupt wollen«, brummte ich unwirsch.
    Vater sagte, ich sollte mich bei Adriana de Flavigny, die den Titel Manager Executive trug, melden. Ich rief am nächsten Morgen an, wir machten einen Termin ab. Das Fremdenverkehrsamt befand sich in der Merchand Street, in der »Auberge d’Italie«. Der gut erhaltene Palast, von der Sonne beschienen, bot den Anblick friedlicher Strenge. Der Innenhof mit seinen vielen Pflanzen, Steinbänken und Flachreliefs war von einer Galerie umgeben. Hier befanden sich alle Büros, absichtlich einfach gehalten, während eine Marmortreppe zu prunkvollen Empfangsräumen führte. Die Werke lokaler Künstler, provokativ grellbunt, milderten das traurige Weiß der Galerie, die als Ausstellungsraum dem Publikum zugänglich war. Ein Beamter, wichtigtuerisch und vollkommen überflüssig, führte mich in Adrianas Büro, das sie mit
zwei Sekretärinnen teilte. Hier blieben wir nur zehn Minuten, bevor Adriana mit mir die Cafeteria im Innenhof aufsuchte. Ein Wunder war geschehen: Wir mochten uns auf den ersten Blick. Adriana war kleingewachsen, etwas füllig, eine klassische Schönheit mit schwerem dunklem Haar, das im Sonnenschein bläulich schimmerte. Ihr ebenmäßiges Gesicht glühte vor Leben, jede Geste war energisch, und sie hatte eine funkelnd aufmerksame Art, der nichts entging. Das Gespräch verlief leicht und flüssig, im vollkommenen Einverständnis. Adriana war ursprünglich Ethnologin und bekleidete ihre Stelle erst seit zwei Jahren. Im Gespräch fanden wir rasch heraus, dass wir die gleichen Anschauungen teilten. Der Tourismus auf Malta, eine wirtschaftliche Notwendigkeit, sollte sich nicht mehr auf Kosten der Umwelt entwickeln. Maltas Geschichte war ein tiefgründiges Bilderbuch. Adriana glaubte fest daran, dass die Vergangenheit des kleinen Archipels noch nicht vollständig erforscht war. Sie hoffte, dass die neuen Techniken, wie die Radiokarbon-Datierung und die DNA-Analyse, zu wissenschaftlich fundierten Ergebnissen führen würden. Und seitdem Valletta von der UNESCO dem Weltkulturerbe zugeordnet war, konnte die Stadt mit neuen Geldquellen und internationaler Unterstützung rechnen.
    »Aber wir tragen eine große Verantwortung«, sagte Adriana. »Im Verhältnis zu unserer kleinen Insel haben wir zu viele historische Schauplätze. Das kostet Geld! Und einerseits sollte der Zutritt zu den archäologischen Plätzen jedem zugänglich sein, anderseits müssen wir die Baudenkmäler vor Verfall und Vandalismus schützen.«
    Jetzt gerade wurden verschiedene Möglichkeiten geprüft: Einzäunungen, Zutrittsbeschränkungen, erhöhte Eintrittspreise. Kostspielige Schutzdächer sollten Pfeiler, Riesensteinplatten und Ornamente vor Wind und Regen schützen.
    »Bringt das was?«, fragte ich.
    Adriana hatte der Neuzeit längst den Puls gefühlt und
machte aus ihrer Skepsis

Weitere Kostenlose Bücher