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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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schnell ins Internet. Ich erwartete keine Antwort von Viviane, so schnell nicht. Und doch hatte Viviane sich gemeldet, knapp und schnoddrig, wie sie manchmal sein konnte. Ihre Antwort brachte das weite Feld der Emotionen in Bewegung, barg Geheimnisse, war allzu enorm, oder allzu schrecklich, um von mir aufgenommen zu werden. Ich betrog mich lieber selbst, um sie nicht zu verstehen. Zwei Worte hatte das Orakel eingetippt und dazu ein Fragezeichen:
    »Nur einen?«

37. Kapitel
    A m gleichen Abend kam Giovanni wieder. Es war schon spät, halb elf. Ich hatte mein Programm für die nächsten zwei Tage erarbeitet und wollte mich schlafen legen, als ich ein Geräusch am Fenster hörte. Es klang, als ob Regentropfen gegen die Scheibe schlugen. Aber die Nacht war klar. Vorsichtig löschte ich das Licht, bevor ich das Fenster öffnete und mich nach draußen beugte. Ich sah unten auf der Straße eine Gestalt, die ich sofort erkannte. Ich gab ein Zeichen, dass ich öffnen würde, lief, so wie ich war, in T-Shirt und Shorts, die zwei Etagen hinunter und öffnete unten die Haustür. Es gehörte zur Hausordnung, dass die Mieter nach zehn die Haustür zu schließen hatten. Giovanni stand vor mir, dunkel in der Nacht, und roch nach Zigaretten, was mich verwunderte. Er grinste leicht, als er mich in die Arme nahm.
    »Ich wollte das Schloss nicht knacken. Das fällt auf.«
    »Kannst du das denn?«, fragte ich einfältig.
    Er zog die Schultern hoch.
    »Wer reinwill, kommt rein.«
    Ich schloss stumm die Tür, und er stieg hinter mir die zwei Stockwerke empor. Er ging vollkommen lautlos. Ich hörte nur meine eigenen Schritte; die seinen nicht. Wir sprachen kein Wort, bis ich die Wohnungstür geschlossen hatte. Dann standen wir im sanften Licht der Stehlampe und sahen einander an. Meine Wangen und mein Ohr prickelten, als er behutsam die Hand hob, mein Gesicht streichelte. Wieder roch ich den Geruch seiner Haut, diesen öligen, etwas würzigen Balsam,
der ihm eigen war, vermischt mit Zigarettenaroma, das nicht von ihm war.
    Ich sagte unwillkürlich:
    »Hast du geraucht?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich nicht, die anderen. Ich – ich rauche nicht. Eben darum, weil man es riecht.«
    Ich dachte, er ist vorsichtig, er denkt an alles. Vivianes Warnung, sachlich über alle Maßen, ging mir nicht aus dem Sinn, wobei ich sie nicht als Abschreckung empfinden konnte, eher als einen Schmerz, der noch hinzukam. Viviane irrte sich nie. Aber das sagte ich Giovanni nicht. Wozu? Er hätte es nicht einmal abgestritten. In unserer unwiderruflich zertrennten Welt war alles, was aus der Erinnerung zu uns drang, ein Geschenk. In diesem unwirklichen Zustand der geborgten Zeit erwuchsen sie uns neu, die Gefühle von einst. Mehr noch, wir besaßen sie stärker, weil zuvor keiner von uns diese Erfahrung hatte. Früher hatten wir sie nur halb empfunden. Aber darüber sprachen wir nicht. Es waren nur die Erinnerungen, an denen die Flügel unserer Seele zerbrachen. Giovannis Hand wanderte zu meinem Nacken. Seine langen, schlanken Finger spreizten sich unter meinem Haar, tasteten über meine Kopfhaut. Dann wieder legten sie sich ganz sanft auf mein Gesicht, ich fühlte ihren zarten Druck auf meinen Wimpern. Es durchfuhr mich wie ein elektrischer Strom, aus aller Vernünftigkeit herausgerissen; was blieb, war die Intensität unserer Beziehung, ihre Wirkung, ihr Einfluss. Ich schlang beide Arme um seinen Hals, brachte ihn fast aus dem Gleichgewicht. Wir küssten uns, unsere Lippen ließen voneinander nicht ab, wir tranken unseren Atem, unser Speichel hatte den Geschmack der Jugend. Dabei rissen wir uns fast die Kleider vom Leib, empfanden die Berührung unserer Haut wie einen glühenden Schock. Es war, als ob Licht aus uns hervorbrach, eine Sturzflut von Gefühlen uns niederriss. Wir fielen auf das Bett,
dem Begehren hingegeben, es war eine Art Wahnsinn, der nirgends Halt machte, ein einziger Lustkrampf, der Liebkosung war. Ich formte diesen Körper mit meinen Händen, definierte ihn neu für mich, baute ihn nach den Maßen meines eigenen Körpers. Der Einklang unserer Bewegungen entfachte immer wieder neue Stürme in uns, von den Schultern bis zu den Fersen. Giovanni beugte sich über mich, hatte seine Arme rechts und links neben meinem Kopf aufgestützt, er streichelte mich mit der Zunge, unsere Augen ließen voneinander nicht ab, wir warfen einander unser Bild zu, ein doppelter, sich langsam trübender Spiegel. Immer würde ich mich an diese Augenblicke erinnern,

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