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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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soll ich für diese Dreckskerle noch irgendetwas tun?«
    Er lehnte den Kopf an meine Schulter.
    »Das Land gehörte meiner Mutter. Mein Vater – in der Hölle soll er verrecken – hat ihr alles genommen. Sie hatte nur zwei Kleider, hast du das gewusst? Ein Kleid für den Alltag und ein Kleid für den Kirchgang. Mein Vater sagte: ›Mehr brauchst du nicht!‹ Ich sagte zu dem verlotterten Pack: ›Glaubt ihr, ich merke nicht, wie ihr um die Dinge herumredet? So
oder so bekomme ich mein Geld, oder es sieht schlecht für euch aus!‹ Sie sagten: ›Wir haben auch unsere besseren Seiten, wir werden dir Wertpapiere geben. Bist du jetzt zufrieden?‹ Ich sagte: ›Wertpapiere, die könnt ihr euch sonstwohin stecken. Ich will das Geld in bar.‹ Verstehst du, mit meinem gefälschten Pass kann ich mich hier nicht am Bankschalter blicken lassen. In Italien sieht die Sache anders aus, ein paar Schmiergelder – fertig! Aber ihnen widerstrebt es, eine große Summe abzuheben. Sie wollen nicht auffallen. Dazu kommen meine Schwestern, Bianca und Angelina, erinnerst du dich noch an sie?«
    »Ein wenig.«
    Giovanni erzählte, dass beide verheiratet waren, dass ihre Männer mitmischten und Dickschädel hätten.
    »Was machen die?«, fragte ich.
    »Biancas Mann handelt mit Gebrauchtwagen. Ein gerissener Gauner. Diego, der Mann von Angelina, arbeitet auf einem Frachter. Er ist es, der mir damals geholfen hat. Er ist kein übler Typ, mit ihm kann ich reden. Aber er ist auf See, ich muss warten. Offenbar läuft sein Schiff in diesen Tagen wieder in Valletta ein.«
    Giovanni rieb sich die Stirn.
    »Jedenfalls habe ich in ein Wespennest gestochen, der Clan ist in Aufruhr. Dabei verlange ich nur das, was mir legal zusteht.«
    Er drückte sein Gesicht an meinen Arm.
    »Vielleicht muss man lügen, um zu leben, vielleicht ist es so, ich weiß es nicht. Ich habe aber immer die Wahrheit gesagt. Meine Brüder, die lügen mir ins Gesicht und denken, ich merke es nicht.«
    Er sah mich an, mit umflortem Blick.
    »Es tut mir leid, Alessa. Ich kann nicht mehr klar denken. Und ich rede zu viel.«
    Ich streichelte seine Stirn.
    »Versuche, ein wenig zu schlafen.«

    Er nahm meine Hand, presste sie an seinen Mund, fuhr mit der Zunge über die klamme Handfläche.
    »Die Zeit geht so schnell vorbei. Ich will sie nicht mit Schlafen vergeuden. Und so früh beginnt der Tod …«
    Er redete wie im Fieber, oder wie im Traum. Mich überlief es kalt.
    »Wovon sprichst du, Giovanni?«
    »Von dem Tod. Mach dir keine Sorgen, Alessa. Das kommt, weil ich müde bin, nur deswegen. Ich schulde dir etwas, Alessa, und dieses Etwas ist mein Leben. Und ich bitte dich jetzt, nie böse auf mich zu sein.«
    Mein Herz krampfte sich zusammen.
    »Wie kann ich böse auf dich sein, Giovanni?«
    »Weil ich dir vieles nicht gesagt habe. Und es dir auch nicht sagen möchte. Weil ich will, dass du mich liebst.«
    Ich streichelte sanft seine Lippen.
    »Sei ruhig, Giovanni! Schlafe jetzt.«
    Er lächelte ein wenig.
    »Liebst du mich immer noch?«
    »Ich liebe dich. Hör zu, ich muss um acht ins Büro, aber du kannst hier schlafen, solange du willst. Und du brauchst die Tür nicht abzuschließen, wenn du gehst.«
    »Irgendwie komme ich schon hinaus.«
    »Nicht durchs Fenster, tu mir den Gefallen. Und ich werde dir das Frühstuck machen. Mit Kaffee und Eiern und allem, was dazugehört. Nimmst du auch Joghurt?«
    Er lächelte; es war ein trauriges Lächeln.
    »Man hat mich noch nie so verwöhnt!«
    Unwillkürlich erwiderte ich sein Lächeln.
    »Tja, dann wird es ja mal Zeit.«
    Sein Kopf sank zurück; er schlief sofort ein, schlief wie ein Stein. In der Nacht hörte ich ihn leise und gleichmäßig atmen. Er schlief nicht wie ein Mann, sondern leicht und lautlos, wie ein kleiner Junge. Die Finsternis kreiste über uns, ich lag still,
am Anfang hielt ich sogar den Atem an. Außerdem schwebten Bilder in meinem Kopf herum und hielten mich wach. Es waren – ich erinnerte mich – die Bilder meines immer wiederkehrenden Traumes: der Sturz durch die blaue Luft, der Strudel, das schwarze Auge, das sich öffnete. Und darunter die unbekannte Welt, das sensible Chaos, ein Universum, im Werden seit dem Beginn der Zeiten. In meinem Kopf rauschte die See, ich spürte es sogar im Zwerchfell. Doch ich lag ruhig, atmete flach, entspannte mich allmählich, verschloss mich vor dem kleinsten Gedanken. Irgendwann schlief ich tatsächlich ein. Doch nicht lange. Schon wurde es hell, und Kenza miaute, als ob sie

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