Mondtaenzerin
zugenommen. Salat ist genau das Richtige für mich.«
Der Keller goss das Mineralwasser ein. Als er gegangen war, verschwand Peters Lächeln. Er sagte tonlos:
»Wie geht es ihm?«
»Ich weiß es nicht.«
»Du weißt es nicht?«
»Nein, er ist… seltsam.«
»Was verstehst du unter seltsam?«
Ich seufzte.
»Ach, Peter. Es fällt mir so schwer, von ihm zu sprechen. Es tut mir leid, ich muss mir Zeit nehmen. Ich glaube, er hat allerhand hinter sich.«
Der Kellner erschien bereits wieder, um die Salate zu bringen. Wir versuchten zu essen, während ich von Giovanni sprach.
»Er erzählt kaum etwas von sich. Und wenn er etwas erzählt, werde ich unruhig. Ich weiß auch nicht, warum.«
Ich trank einen Schluck, schwieg, stocherte in meinem Salat herum. Peter ließ mich nicht aus den Augen.
»Hast du ihn nicht gefragt?«
Ich wich seinem Blick aus.
»Es ist etwas anderes. Verstehst du, für mich ist es so, dass ich nichts Genaues wissen will. Nichts verstehen will, nichts …«
Er antwortete nicht, eine ganze Weile lang. Es war ruhig in dieser Bar, laut würde es erst später werden.
Schließlich seufzte Peter.
»Immerhin war es nicht seine Schuld.«
»Nein. Und ich habe ihm erzählt, wie wir Fra Beato aufgesucht haben und er uns geholfen hat.«
»Und was hat Giovanni gesagt?«
»Er hat geweint.«
Peter schien betroffen.
»Geweint?«
»Ja.«
Peter holte gepresst Luft.
»Das Leben ist einfach beschissen. Sag, sieht er unglücklich aus?«
»Eigentlich nicht. Eher düster. Verschlossen. Und ich weiß nicht, warum ich derartig an ihm hänge«, setzte ich ganz leise hinzu.
Peter sah mich an, mit hellen, verschwommenen Augen hinter der Brille.
»Was hat er bloß die ganze Zeit gemacht?«
»Er war lange Zeit in Mexiko.«
»Drogen?«, murmelte Peter.
»Ich nehme es an. Vielleicht auch andere Sachen.«
»Spricht er darüber?«
»Wäre es dir lieber, er spräche?«
Peter seufzte.
»Hat er dir was vorgelogen?«
»Du weißt, dass Giovanni grundsätzlich nie lügt. Er sagt lieber nichts als etwas, das nicht stimmt.«
»In dieser Hinsicht hat er sich nicht verändert.« Peter sprach zerstreut, da war etwas anderes, was ihn beschäftigte.
»Will er hierbleiben?«
»Nein.«
Ich merkte ihm einige Erleichterung an.
»Hat er dir gesagt, wann er wieder geht?«
»Willst du ihn sehen?«
»Natürlich will ich das.« Peter wurde ein wenig rot. »Und wie steht es mit ihm?«
»Er würde dich gerne wiedersehen. Hat er gesagt. Er will auch Viviane sehen.«
»Wird er bleiben, bis sie kommt?«
Ich hatte das deutliche Gefühl, er wäre froh gewesen, wenn ich gesagt hätte: »Nein, er muss schon morgen wieder weg.« Stattdessen sagte ich: »Er weiß es noch nicht. Er ist nur hier, um einige Dinge zu regeln. Eine Erbschaftssache. Der Vater war ja reich, aber die Brüder sind Gangster.«
»Er soll sich vor ihnen in Acht nehmen.«
Ich lächelte unfroh.
»So, wie er jetzt ist, dürfte es eher das Gegenteil sein.«
»Ich an seiner Stelle…«
»Nein«, unterbrach ich ihn. »Er hat jahrelang zu einem dieser Clans gehört, die so gefährlich sein sollen. Da macht ihm unsere Lokalmafia keine Angst.«
»Ich sehe schon…«
Peter versank in Gedanken, wiegte sich leicht hin und her. Irgendetwas, von dem ich nicht wusste, was es war, erinnerte ihn, so kam es mir vor, an andere Orte und Zeiten. Schließlich fand er aus seiner Verzückung heraus, räusperte sich.
»Ich wollte dich eigentlich etwas anderes fragen: Liebst du ihn immer noch?«
»Ich liebe ihn, Peter. Und du liebst ihn auch.«
Er zuckte zusammen.
»Warum sagst du das?«
»Ich weiß es nicht. Es ist doch die Wahrheit, oder?«
Er sah mich an, mit Qual in den Augen.
»Sieh mal, Alessa, aus dieser Sache konnte ja nie etwas werden…«
Peters Worte gingen bejammernswert an den Tatsachen vorbei. Wenn der bloße Gedanke an Giovanni ihn so alarmieren konnte, wie würde dann seine Gegenwart auf ihn wirken? Unsere Kindheit, so reich sie uns auch im Nachhinein erschien, hatte uns nicht im Geringsten beschützt. Peters ganzes Benehmen mir gegenüber deutete an, dass er seelisch noch verwundbar war. Er musste erst mit seinen eigenen Gefühlen
ins Reine kommen, eine klare innere Linie finden, eine genaue Route des Verhaltens, um einem Mann wie Giovanni ins Gesicht zu sehen. Im Grunde waren ihre Schicksale ähnlich, beide waren gesellschaftlich entwurzelt. Mit allem Nachdruck des Herzens hätte ich Peter gerne gesagt, dass es für ihn nicht so schlimm sein
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