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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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von grimmig blickenden römischen Legionären, vorbeiwankte. Der Darsteller trug eine Perücke, darüber die Dornenkrone. Man hatte ihm mit
roter Farbe Wunden und Striemen auf die nackte Haut gemalt. Dann, am Ostersonntag, schwangen sich die Schallwellen der Glocken empor, Kirchengesänge erklangen aus den offenen Toren aller prächtig geschmückten Kirchen und Kapellen. Ich besuchte mit meinen Eltern den Gottesdienst. In der Kirche war es warm, halbdunkel, es roch nach Blumen und Wachskerzen, die roten und goldenen Ornamente funkelten. Männer und Frauen bewegten sich hinter Weihrauchschleiern, fielen unablässig auf die Knie, die Orgel brauste, ein Kinderchor sang mit süßer, weicher Stimme. Vater nahm sogar an den Vigilien teil, Mutter nicht. Sie ging auch nie in die Knie, sondern lehnte mit abwesendem Gesicht an ihrem Stehsitz. Ich kniete, weil es sich so gehörte, trug ein graues Kleid aus leichter Wolle, das etwas über die Knie herabreichte, und weiße Socken und schwarze Lackschuhe, die mir bereits zu klein wurden. Alle kleinen Mädchen trugen sonntags Lackschuhe. Mutter hatte akkurat meine Zöpfe frisiert, die Fransen im Halbrund geschnitten. Ich hatte vor zwei Jahren die heilige Kommunion erhalten und besaß ein eigenes kleines Messbuch, mit einem Einband aus weißem Leder und Perlmutt. Die Geschichten, die uns der Priester damals erzählte, fand ich nur spannend, wenn ich sie zum ersten Mal hörte. Die ständigen Wiederholungen danach – wo ich die Geschichten doch längst kannte – langweilten mich. April – die Sonne stand bereits hoch, Himmel und Erde leuchteten. Ein heftiger, heißer Südwind wehte vom Meer herüber, mitten in der Stadt schmeckte es nach Salz. Die Azaleen kletterten purpurn, gelb und rosa über die Hügel, der Ginster stürzte die Hänge zum Meer hinab. Schwalben tanzten im Sonnenlicht, die alten Mauern und Bastionen waren mit Blüten und grünen Ranken bestückt. Ich war von Unruhe erfüllt, von dem Drang, mit nacktem Körper die Steine, das Wasser, die Luft zu berühren. Der Frühling: ein Augenblick der Vollkommenheit! Ich wollte der Welt der Erwachsenen entfliehen, noch ehe sie merken
konnten, was mit mir los war. Peter, Vivi und ich waren von derselben Sorte, unbekümmerte kleine Heiden, die die flirrenden Wege zur Küste hinabtanzten. Wir sahen das Liebesspiel der Falken, ihr Steigen, Drehen, Fast-Berühren, Ausweichen. Der Kuckuck rief, die frische Minze duftete. Aus verborgenen Gärten, hinter Feigenkakteen, stiegen in warmen Wellen die Düfte der Orangenblüten. Am Strand war alles ruhig, wir hüpften und schubsten uns am Rand der kleinen Wellen. Vereinzelte Touristen waren schon da, lagen mit schwarzen Sonnenbrillen auf Strandtüchern, und jedes Tuch hatte eine andere Farbe. Wir beachteten die weißen, schlaffen Körper nicht, die sich bräunen ließen. Sie waren weit weg, wie auf einem Bild gemalt, sie störten uns nicht. Unsere Stimmen und Lachen vibrierten in der Weite mit einem hellen Echo, wie in einer Welt aus Kristall. Unser Glück war erst vollkommen, wenn Giovanni hinzukam – selten zwar und immer erschöpft und zerschlagen. Wir hatten frei, er aber musste das Ackerpferd führen, wenn der Vater pflügte, das Kartoffelfeld nach Käfern absuchen. Giovanni musste die beiden Schweine füttern, den Stall ausmisten. Die Muttersau hatte ihren ersten Wurf und war gefährlich. Giovanni sprach leise zu ihr, was sie beruhigte. Die Brüder riefen ihn, wenn sie Zäune flickten, er sammelte Steine vom Feld, bis zu der Größe, die er gerade noch schleppen konnte. War Giovanni bei uns, klang sein Lachen frohlockend, als wäre er einer Gefahr entronnen. Er war anziehend in seiner kindlichen Schönheit, mit dem geschmeidigen inneren Glanz, den wir durch seine Haut wahrzunehmen glaubten. Wir kletterten an Felsen hinab, die steil und schlüpfrig waren, von Wasser überspült und von der Sonne getrocknet, und unsere Füße waren sicher wie die der kleinen Bergziegen. Mit der Unbefangenheit der Kinder zogen wir uns aus bis auf die Unterwäsche, sprangen in die kalten, schwappenden Wellen. Wir tanzten, hüpften, spritzten uns gegenseitig mit Wasser nass. Schaum zerstreute sich in der Luft und platzte auf unserer
Haut wie kleine Seifenblasen. Am Nachmittag wurde die See glatt, straff und blau wie Türkis. In der Meeresluft hörten wir das Kichern und Lachen der Geister, die früher da waren. Wir sammelten kleine Muscheln und Seetang, den wir zerkauten und wieder ins Meer spuckten. Der

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