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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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Stille, und es entstand eine Atmosphäre beunruhigender Gedanken. Giovanni sah plötzlich aus, als brauche er Wärme. Seine Stimme klang belegt.
    »Er redet mit mir darüber.«
    »Was sagt er denn?«
    »Er sagt, dass der Körper etwas Widerliches ist, eine schmutzige Hülle, in der wir leben müssen, bis Jesus Christus uns erlöst. Und dass es unsere Aufgabe sei, die Seele zur Vollendung bringt. Das Seelenheil sei wichtiger als die Wünsche des Fleisches oder die Ziele des Geistes. Wer sich schlägt, ist der Vollendung näher.«
    »Kommt er immer noch in dein Zimmer?«
    »Ja. Er sitzt da und betet den Rosenkranz.«
    »Weil er Schmerzen hat?«
    »Kann sein. Er sagt: ›Ich muss eine Weile bei dir bleiben.‹«
    »Schluckt er Medikamente?«
    »Ich weiß es nicht. Er erzählt mir, dass er mein einziger wirklicher Freund ist. Und dass ich keine Angst haben muss, er sei nur da, um mich vor dem Teufel zu beschützen. Ich soll mich nicht stören lassen und ruhig schlafen. Ich versuche es, aber es geht nicht. Ich höre, wie er sein ›Ave Maria‹ murmelt und stoßweise dabei atmet. Ich schließe die Augen, aber sobald ich blinzele, sehe ich den dunklen Kopf, und wenn der Mond scheint, schimmert die Wand dahinter wie zerknittertes Silberpapier. Und dann ist er manchmal lange Zeit still, ich rieche nur seinen Geruch. Er stinkt nämlich, weil er sich ja niemals wäscht. Und dann stöhnt er wieder und klappert mit dem Rosenkranz, und ich liege
wach. Wenn es hell wird, geht er, und ich kann endlich schlafen.«
    »Kannst du dich nicht einschließen?«, fragte ich.
    »Nein, ich habe keinen Schlüssel. Ich habe Clarissa gefragt, und die ist fast böse geworden. Im Haus Gottes gäbe es weder Schlüssel noch vergitterte Fenster. Sogar die Haustür sei offen.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Das ist aber nicht richtig!«
    »Ganz und gar nicht.«
    Es war nicht so, dass Naivität und Gutgläubigkeit uns blind machten. Wir sahen durchaus die Gefahr. Aber wir konnten keine Begierden lesen, die wir selbst nicht kannten.
    »Sag ihm doch endlich, er soll dich in Ruhe lassen«, brach es aus mir hervor.
    Vor Giovannis Gesicht war ein Vorhang gezogen. Er antwortete mit Qual in der Stimme: »Ich wag’s nicht, Alessa, ehrlich gesagt, ich tu’s lieber nicht. Ich habe Angst, dass er mich nach Hause schickt.«
    Der Sachverhalt blitzte hell in meinem Kopf auf. Trotzdem fragte ich: »Wäre das denn so schlimm für dich?«
    Ich sah, dass unter seinen Augen Falten waren. Falten der Angst und der Schlaflosigkeit. Er litt mehr, als er ausdrücken konnte.
    »Wenn ich meinem Vater sage, was ich von Filippo erfahren habe, wird er mich schlagen. Aber jetzt bin ich stärker als er. Und weil ich so schrecklich wütend auf ihn bin … Gott helfe mir!«
    Giovannis Körper drückte für ihn aus, was er nicht sagen konnte: Die harten, festen Muskeln, die starken Füße, die langen Hände sagten mir auch, dass er – fast vierzehn – über viel Kraft verfügte. Dieses Wissen um seine Kraft, die er noch niemals angewendet hatte, schleppte er mit sich wie eine Bürde. Und in seinen Träumen keimte bereits die Gewalt.
    Auf der einen Seite war da also sein Vater, den er bis aufs
Blut hasste. Und auf der anderen Seite der Onkel, der Giovannis Schicksal in seinen bleichen Händen hielt. Heute kann ich mir vorstellen, was der Mann empfand, wenn Giovanni mit leuchtenden Augen und feucht glänzendem Haar vom Strand und unseren Umarmungen zurückkam. Wenn sein Blick frohlockend, fast anmaßend in seiner Vollkommenheit war und er auf der glatten Haut die Spuren des Paradieses sah, das Giovanni ohne Weiteres zuteilwurde, für ihn aber unerreichbar blieb. Don Antonino konnte nur auf das Jenseitige warten, während seine Wunden Schorf bildeten.
    Mein Zorn wuchs, ließ die Machtlosigkeit vergessen.
    »Giovanni, hör zu. Du bist ihm ja sehr dankbar für alles, aber du kannst dein Leben nicht so führen, wie er es von dir erwartet.«
    Seit dem Tod seiner Mutter war Giovannis Vertrauen in Don Antonino erschüttert. Es gab ein Vorher und ein Nachher, dazwischen klaffte ein Riss. Das andere kam später hinzu.
    »Glaubst du an Gott?«, fragte er mich einmal.
    »Manchmal ja«, sagte ich, »manchmal nein. Und du?«
    Er hob weich die Schultern.
    »Manchmal ja, manchmal nein.«
    Die Religion fühlt man entweder zu heftig oder überhaupt nicht. Früher liebte ich die Messe am Sonntagmorgen, wenn so viele Stimmen zum Spiel der Orgel erklangen. Ich beobachtete, dass alle Leute das gleiche

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