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Mondtaenzerin

Mondtaenzerin

Titel: Mondtaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederica de Cesco
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verabredet, einem beliebten Treffpunkt für Touristen und Einheimische. Der Himmel war klar, aber noch lastete die Mittagshitze auf Valletta. Die Blätter der Platanen waren schon hart und verbrannt. Die
Stadt war überfüllt. Touristen wanderten vorbei, bewunderten die Mauern und Bastionen, die Säulenbauten, die Wohnhäuser mit ihren hölzernen Lauben, nach orientalischer Art hellblau oder hellgrün gestrichen. Es roch nach frisch gerösteten Mandeln, nach Pizza. Vivi war schon da und winkte mir zu. Atemlos setzte ich mich zu ihr unter den roten Sonnenschirm. In nur zwei Monaten war Vivi ein ganzes Stück gewachsen. Anstelle der wirren Fransenfrisur trug sie jetzt ihr Haar schulterlang. Sie trug eine umwerfend modische Sonnenbrille mit Brillanten an den breiten Bügeln und auffallende Klamotten, ein rotes Top, das den Ansatz ihrer kleinen Brüste sehen ließ, die schwarzen Jeans saßen tief auf den Hüften. Ihre High Heels waren vorne offen und zeigten die rot lackierten Zehen. Sie war nach wie vor dünn – ein Fliegengewicht –, aber das schien in ihrer Natur zu liegen.
    »Ich hätte dich fast nicht erkannt«, sagte ich, hingerissen und etwas neidisch.
    »Ich bin fett geworden. Da, siehst du?«
    Vivi klopfte auf ihre flache Bauchgrube. »In London habe ich nur Schinkensteak gegessen!«
    Sie lachte. Ich starrte sie an.
    »Du trägst jetzt eine Zahnspange?«
    »Ja, es ist fast zu spät. Miranda sagt: ›Glaubst du, ich hätte nicht gesehen, dass du schiefe Zähne hast? Klar hätte man schon früher etwas tun sollen, aber woher das Geld nehmen und nicht stehlen?‹ Aber Grandpa machte keine Faxen, schleppte mich sofort zum Zahnarzt, und der sagte: ›Der Oberkiefer wächst vor. Wenn man nichts tut, sieht sie mit zwanzig wie ein Hase aus!‹ Grandpa meinte dazu, dass er Hasen lieber als Braten auf dem Teller hätte. Jetzt trage ich also die Spange – ihm zuliebe. Und er sagt auch nicht Vivi zu mir, sondern Viviane.«
    Ich fragte verunsichert: »Und ich? Wie soll ich dich nennen?«

    Bevor sie mir Antwort gab, schob sie mit langsamer Gebärde ihre Sonnenbrille hoch. Ich sah endlich ihre Augen, groß, nach den Schläfen sich leicht verengend, von diesem seltenen Grau, das fast vergoldet schimmerte. Ich musste an das kleine Mädchen denken, das den Kopf in den Nacken zu legen pflegte, die Augen zusammenkniff und gerade hinauf etwas sah, das wir nicht sehen konnten.
    »Viviane… wenn es dir nichts ausmacht. Miranda ist die Einzige, die noch Vivi zu mir sagt. Ich hasse das!«
    Der Kellner kam. Viviane hatte eine Cola vor sich. Gefräßig, wie ich war, bestellte ich ein Pistazieneis.
    »Warum willst du denn plötzlich nach London?«, fragte ich, als er weg war.
    Sie hob die schmalen Schultern.
    »Es ist eben alles anders. Ich miste gerade mein Zimmer aus und schmeiße alles weg.«
    »Und deine Eltern?«
    Sie legte ihre dünnen Hände auf dem Tisch übereinander, presste sie zusammen. Ihre Fingernägel waren sauber, akkurat gefeilt. Sie trug jetzt einen Ring, einen Aquamarin, mit Brillanten umgeben, die ein zierliches Blütenmuster bildeten.
    »Alexis versteht mich, irgendwie. Miranda ist stocksauer, aber das ist ihr Problem.«
    Ich blickte unentwegt auf ihren Ring. Sie bemerkte es und streckte die Hand über den Tisch, damit ich ihn besser sehen konnte.
    »Schön, nicht wahr? Grandpa hat ihn mir geschenkt. Der Ring gehörte meiner Großmutter. Als Miranda ihn sah, ist sie fast verrückt geworden.«
    »Warum?«, fragte ich.
    Viviane nickte mit einem boshaften Zug um den Mund.
    »Ich weiß schon warum. Sie hat versucht, mir den Ring von der Hand zu reißen. ›Der Ring gehört mir!‹, hat sie geschrien. ›Ich wollte ihn schon immer haben.‹ Ich habe sie weggestoßen.
›Der Ring gehört jetzt mir!‹ Daraufhin hat sie mir eine geklebt. Ich habe noch den blauen Fleck, da, siehst du?«
    Sie hielt mir die entblößte Schulter hin und lachte etwas überdreht.
    »Familienkrach, das Übliche! In London werde ich meine Ruhe haben.«
    Ich konnte es immer noch nicht glauben, dass sie uns verließ.
    »Wo wirst du denn wohnen?«
    »Bei Grandpa natürlich. Er hat ein großes Haus in Kensington. Ich konnte mir sogar mein Zimmer aussuchen. Ich habe ein schönes gefunden, im zweiten Stock. Der Teppich ist ganz weich und hellgrün, mit einem Muster aus rosa Fledermäusen. So lustig! Der Teppich kommt aus China. Da sagt man, Fledermäuse bringen Glück, hat mir Grandpa erklärt.«
    »Ich dachte«, wandte ich mit schwacher Stimme ein,

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