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Monica Cantieni

Monica Cantieni

Titel: Monica Cantieni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grünschnabel
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müssen, wenn das Werkzeug mit dem Körper verbunden ist.
    – Warum?
    – Es ist zu viel Herzblut darin.
    – Auf welche Seite vom Lexikon schreiben wir das?
    – Wir schreiben gar nicht. Erst denken wir.
    Ich entschuldigte mich leise.
    – Lauter, sagte Imeldas Mutter.
    – Endlich, sagte Eli. Wann kann sie raus?
    – Gleich. Wir fahren hin.
    Sie war ›Die Blume des Monats‹. Imelda lachte wieder, war wieder ein Sonnenschein und ›mein Mädchen‹ von ihrem Vater, der sie küsste und aus dem Bett hob, obwohl sie schon lange wieder gehen konnte. Auf Händen trug er sie vor das Plakat im Krankenhausflur, auf dem sie abgebildet war. Alle konnten sich ein Beispiel an ihr nehmen, wie schnell man gesund werden kann, auch wenn einem die Haare fast ausgegangen waren, weil sie dem Kopf nicht mehr trauten.
    Meine Eltern und ich standen mit Blumen im Flur, und Imeldas Vater stellte sie auf ihre Füße, wollte sie gehen sehen. Jeden Tag wollte er sie gehen sehen, heute besonders: Imelda durfte nach Hause fahren und wieder die Beste sein, die Klügste, es war ihr Beruf.
    Als Erstes fuhren wir mit Imelda zum Frisör.
    Haare waren absolut die Domäne von Madame Jelisaweta, es gibt keine bessere, sagt Mirela. Sie hatte schon jede Sorte Haar in Händen gehabt; sogar den kahlen Kopf von Imeldas Vater stellte sie zufrieden. Sie schnitt nicht immer ganz grade, und es konnte passieren, dass man für eine Woche den Kopf schief halten musste, weil sich Madame Jelisaweta nicht gern korrigierte, aber sie hat die Sorte Parfüm, bei der einem alles egal wurde und man sich ergab. Zudem wackelten in ihren Ohren riesige Ringe, sie hatte ein Lächeln, in dem goldene Zähne zu sehen waren, und ein Gesicht, von dem meine Mutter behauptete, dass es eine Wildnis ist, weil Madame Jelisawetas Augen eine Farbe hatten wie die grüne Hölle des Amazonas.
    Madame Jelisaweta schüttelte den Kopf. Imeldas Haar war dünn, die Narbe darin glühte. Sie legte die Schere weg und schenkte Imelda einen Hut.
    – Voilà! Fürs Erste.
    Sie schaute zu mir herüber. Mit mir wollte sie ein paar Schritte gehen, ein paar Takte reden. Die Ringe wackelten in den Ohren und klimperten, sie beugte sich zu mir herunter und lächelte, dass mir schwindlig wurde, und flüsterte mir ins Ohr:
    – Das führt zu nichts, Süße. Mit einer Schaufel, nicht wahr? Das führt nie zu etwas. Haben wir uns verstanden?
    Ich nickte. Wer sich mit Madame Jelisaweta anlegte, musste den Verstand verloren haben. Es war etwa so dämlich wie Oskar den blanken Arsch hinzuhalten, nachdem man ihn eine Stunde lang geärgert hatte.
    Was aber hätte ich tun sollen, damit sie aufhörten? Damit sie damit aufhörten? Damit sie still waren, nicht mehr kicherten, endlich Ruhe gaben, nicht mehr flüsterten, nicht aus dem Fenster riefen, nicht mehr hinter mir herliefen und sangen: Waisenhausgöre!
    Allen voran Imelda.
    Waisenhausgöre .
    Das dickste Lexikon neben meinem Bett kannte das Wort nicht. Es blieb ein Gefühl.
    – Das war es also, sagte Tat am nächsten Sonntag.
    Er hörte auf, die Stuhllehne zu streicheln.

Der Lehrer schrieb …
    D ER LEHRER SCHRIEB DIE Aufsatzthemen an die Tafel.
    – ›Meine Ferien am Meer‹ und ›Mutter und Vater‹. Ihr habt die Wahl. Wer noch nie am Meer war, schreibt über Mutter und Vater, die hat schließlich jeder.
    Leere Blätter machen Schwierigkeiten.
    Eli nahm es leicht.
    – Erfind halt was.
    Auch volle Blätter machen Schwierigkeiten.
    – Nicht zu glauben, was da steht, sagte der Lehrer.
    – Nicht zu glauben, sagten meine Eltern. Von wem redet sie?
    Sie fragten sich, ob diese Phantasie wieder ins Leben umschlagen kann. Der Arzt würde nachsehen müssen. Den Aufsatz musste ich neu schreiben, von Grund auf, sagte der Lehrer. Aus Prinzip . Im Prinzip ein Leichtes für dich, sagte er. Er gab mir den Aufsatz zurück.
    – Was ist Prinzip ?
    – In erster Linie sind Prinzipien Gesetze . An die man sich hält. Morgen will ich den Aufsatz sehen.
    – Ich kann darüber nicht schreiben, ich war auch noch nie am Meer.
    – Bis morgen.
    Vom Meer hatten meine Eltern keine Ahnung. Nicht wie Imelda, die mit ihren Eltern hingefahren war, um Erfahrungen zu sammeln. Darüber hätte sie mit links zwei Seiten schreiben können, hatte sie gesagt, und über ihre Eltern einen Roman. Eli hätte gewusst, wie das Meer ist, aber er war auf eine Baustelle gefahren, die noch nicht mal mein Vater kannte. Sonst konnte nur noch Werner Fernfahrer Bescheid wissen.
    Ich klingelte bei der

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