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Monica Cantieni

Monica Cantieni

Titel: Monica Cantieni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grünschnabel
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sie zum Kaffee ein, damit sie sich umsehen konnte, ob etwas für ihren Geschmack dabei war. Sie kamen immer zu zweit. Schon bei der Tür stolperten sie über Naturkatastrophe und waren schwer beeindruckt. Sie wollten seinen Namen wissen. Sie schauten einander an, schauten die Chefin an, sagten den Namen auf, als wäre sie der Weihnachtsmann, sie schauten sich um, als suchten sie etwas, und schauten Naturkatastrophe an, als hätten sie’s gefunden.
    – Der ist niedlich, sagten sie.
    Ich hätte ihnen gerne gesagt, dass Naturkatastrophe alles andere als niedlich ist, und dass er bloß vor der Tür herumstreunt, weil er denkt, dass Onkel Eugen aufkreuzt, um ihn abzuholen, dass er für seine Augen nichts kann, und dass er nicht im Sinn hätte, mit ihnen zu gehen, dass er bloß mitgehen würde, weil er muss, weil er wegmuss für eine Zeit, damit die Chefin Ferien machen kann von ihm, damit wir Ferien machen können von ihm, denn wenn er wieder zurückkommen würde, wenn sie ihn wieder bei uns abliefern würden, sie diejenigen sein würden, die Ferien brauchten, wir aber etwas erholt wären für Naturkatastrophe und seine Ideen, die ihm mit der Wut kamen. Eine Wut, die zwar an Wahnsinn grenzt, wie der Seelendoktor sagte, aber keiner ist, und er deshalb nicht wegmuss, sondern hierbleiben darf, gar nicht woanders hingebracht werden kann, auch wenn dabei ein bisschen was zu Bruch geht.
    Nein, ich sagte lieber nichts und ließ die Kundschaft machen, ließ sie um Naturkatastrophe herumstreichen, ließ sie ihn sich anschauen und mit ihm spazieren gehen, ging zum Gärtner in den Apfelgarten oder setzte mich auf den Holzstoß, bis es vorbei war, bis er fort war.
    Kundschaft hielt es mit ihm höchstens halb so lang aus wie mit mir. Und ganz im Gegensatz zu mir konnte sich Naturkatastrophe gut an zu Hause erinnern. Ich konnte nicht genug kriegen, wenn er erzählte.
    Wenn sein Vater nach Hause kam, rückte die Polizei aus der Stadt im Stundentakt an, so lange, bis Naturkatastrophe mit der Polizei auf Du und Du war und er sie Onkel Eugen nennen durfte. Onkel Eugen begleitete seinen Vater oft mit seinen Kumpels im Kastenwagen nach Hause. Ihn alleine im Fond des Wagens sitzen zu lassen ging nicht, es mussten ihm welche auf die Finger schauen, in denen es immerzu kribbelte. Onkel Eugen hörte irgendwann damit auf, seinen Vater daran zu hindern, zu Hause die Möbel aus dem Fenster zu werfen oder das Geschirr, damit Ordnung kam in sein Leben, damit er neu anfangen konnte, ganz von vorn. Nur wenn er auch Naturkatastrophe hinterherwerfen wollte, weil ihn seine Mutter nicht zu fassen kriegte, nahm Onkel Eugen ihn mit, und Naturkatastrophe durfte in der Zelle schlafen, während Onkel Eugen Papierkram erledigte und ihn am andern Morgen mit heißer Schokolade weckte, die beste heiße Schokolade, sagte Naturkatastrophe, die er je in seinem Leben getrunken hatte.
    Der Staat sah es nicht gern, dass Onkel Eugen eine Zelle fast jede Nacht mit Naturkatastrophe belegte. Für Naturkatastrophe war nicht so viel öffentlicher Raum vorgesehen, Onkel Eugen musste ihn bei der Chefin abgeben. Er stand schlotternd im Flur. Sie hatten ihn nicht einmal mehr zum Umziehen nach Hause gebracht. Er hatte dort nichts mehr zum Umziehen gehabt, entschuldigte sich Onkel Eugen, weil sein Vater in der Nacht zuvor aus dem Fenster gefallen war und die Mutter nach unbekannt verzogen, mitsamt seinem Bett und den Möbeln, die noch da gewesen sein mussten, weil sein Vater nicht weit gekommen war mit dem Hinauswerfen der Möbel, dem Ausräumen des Badezimmerschrankes, des Küchenschrankes, der Wohnwand. Bloß seine Kleider aus dem Rucksack hätten auf der Straße gelegen, Autos waren drübergefahren, eines hätte auch seinen Vater gestreift, der wie ein Stein heruntergefallen sein musste, ganz anders als die Kleider, die noch vom Nachthimmel gesegelt kamen, während sein Vater schon unten in zerschlagenem Geschirr und schäumendem Badezusatz lag und der Regen auf ihn herabprasselte; ein trauriges Ende. Onkel Eugen erzählte es ihm und der Chefin haarklein, als sähe er einen Film, als müsste er mit dem Polizistenauge einen Bericht schreiben, damit die Chefin Bescheid wusste. Von der Treppe aus war das alles zu hören. Naturkatastrophe hielt sich die Ohren zu, und als Onkel Eugen fort war, machte er der Chefin sofort klar:
    – Ich schlaf morgen wieder bei Onkel Eugen in der Zelle. Er holt mich hier weg. Morgen kommt Onkel Eugen mich holen.
    Das sagte er auch als Erstes Donelli,

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