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Monica Cantieni

Monica Cantieni

Titel: Monica Cantieni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grünschnabel
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blinzeln, und wenn man Glück hat, bleibt das Bild im Kopf für immer.
    Als Schneewittchen mit der Karotte fertig war, stopfte ich noch eine Unmenge Löwenzahn hinterher. Löwenzahn, Klee und Spitzwegerich: sein Lieblingsessen. Unglaublich, wie viel Mist Schneewittchen mit frischem Grünzeug machen konnte. Seit ich Imelda in der Schule mit den Hasenkötteln beschossen hatte, wollten alle welche haben. Ich pulte sie aus der hintersten Ecke heraus, verpackte sie in Tüten und tauschte sie gegen Comics und Kaugummis ein.
    In Elis Brotdose lag ein Brief der Polizei.
    – Von der Polizei?
    Tat zog die Brauen hoch. Ich nickte.
    – Weiß es dein Vater?
    Ich schüttelte den Kopf. Tat rieb sich das Kinn, und es klang, als schmirgle mein Vater Holz in der Werkstatt. Er streichelte die Lehne seines Lieblingsstuhls und zog die Strickjacke enger um sich.
    – Hast du ihn aufgemacht?
    Wieder schüttelte ich den Kopf.
    – Ist er noch da?
    – Weiß nicht.
    – Kommt Eli ihn holen?
    – Weiß nicht.
    – Wo ist er denn?
    – Wissen wir nicht.
    – Was hat er denn angestellt?
    – Er ist erwischt worden. Vorgestern.
    – Wobei denn?
    – Beim Arbeiten.
    Tat spitzte den Mund und griff nach einer Toscani. Jetzt konnte ihm nichts mehr abfallen. Die Beine waren schon weg, er paffte mit geschlossenen Augen, seufzte und fragte:
    – Er ist nicht mit einem blauen Auge davongekommen?
    – Das auch. Aber der, den er am Abend zuvor geschlagen hatte, hatte eine gebrochene Nase und hat ihn bei der Polizei gemeldet.
    – Er hat sich geprügelt?
    – Nur ein bisschen, sagen seine Kumpel von der Baustelle. Sie mussten zu einer Einvernahme , sagt mein Vater. Und dabei ist rausgekommen, dass Eli gar nicht mehr hier sein darf. Was ist Einvernahme ?
    – Die Polizei fragt dich etwas, und du musst unbedingt die Wahrheit sagen. Es ist jedenfalls besser, du tust es. In den meisten Fällen jedenfalls.
    In der dicken Toscaniwolke kreisten Fliegen, eine setzte sich auf Tats Nase. Um sie loszuwerden wedelte er mit den Händen, ein Stück Glut fiel auf seine Strickjacke und brannte ein Loch hinein.
    – Mierda de giat! Lumpamenta! So ein Saupack.
    Dann sah er mich lange an.
    – Soll ich dir was sagen? Ich habe heute die Tatta gesehen. Ganz deutlich. Wenn du’s genau wissen willst: Sie saß da, wo du jetzt sitzt. Sagte keinen Ton, wollte nichts weiter, ich habe sie gefragt. Hast du sie auch gesehen? Draußen vielleicht?
    Ich schüttelte den Kopf. Er schwieg eine Weile und drückte die Toscani in der Untertasse aus.
    – Ich bin müde. Ich möchte jetzt allein sein. Lass mich allein.
    In der alten Wäscheschleuder im Garten zog Tat die besten Erdbeeren. Im Waschhaus schichtete mein Vater Holz. Tat schien Holz zu sammeln. Ich lernte: Sperrholz , Latten, Leisten, Furnier. BRETTER kannte ich schon, mein Vater schichtete sie in Regale. Den halben Baumstamm rollte er von einer Ecke in die andere, schlug dann die Axt hinein und ließ ihn stehen. Dann sägte er Scheite in die Länge, die in Tats Ofen passte, und ich legte sie in Körbe.
    – Tat sieht die Tatta.
    – Was?
    Er stellte die Säge ab und nahm sich die Watte aus den Ohren.
    – Tat kann die Tatta sehen, sie hat sich zu ihm gesetzt.
    – Hat er Schmerzen?
    – Davon sagte er nichts.
    – Und was tut er jetzt?
    – Er will allein sein.
    – Lass ihn schlafen. Ich bin hier gleich fertig. Leg Holz nach in der Küche. Das gute von Curdin.
    – In Elis Brotdose liegt ein Brief der Polizei.
    Mein Vater lehnte sich an die Wand und schaute dem Staub zu, der um die Glühbirne waberte, dann legte er den Schalter an der Säge wieder um. Kreischend kam sie in Gang, und er stopfte sich die Watte in die Ohren.
    Zu Hause legte ich SPERRHOLZ, LATTEN, LEISTEN, FURNIER und BRETTER zu HOLZARTEN, mein Vater hatte mir bei Tat eine Kiste gemacht und HOLZARTEN in den Deckel geritzt. Ich strich mit dem Finger darüber, der Deckel roch bitter.
    – Nuss, sagte mein Vater. Walnuss.
    – Ich habe mir zwölfmal auf die Zunge gebissen, fünfzehnmal keinem was gesagt, auch Tat nicht, und drei Kekse, zwei Kaugummi und eine halbe Tasse voll Sahnebonbons beiseitegelegt, sagte ich zu Schneewittchen. Ich habe ein Batman- Comic zu dir ins Stroh gestopft und mein ganzes Taschengeld für Popcorn ausgegeben, um es mit Milena zu teilen. Jetzt habe ich kein Geld mehr, um Imelda zu bezahlen, weil sie gesehen hat, wie ich Batman eingesteckt habe. Ich werde sie in den Fluss werfen müssen. Auf dich ist auch kein Verlass. Du hast Batman

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