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Monica Cantieni

Monica Cantieni

Titel: Monica Cantieni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grünschnabel
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seine Beine falle, der seine Zähne in den Kühlschrank lege, ins Waschbecken pinkle, und es nur eine Frage der Zeit wäre, bis er in den Zoo fahren und dem Nilpferd seine neue Brille verfüttern würde oder an die drei Hunde der Blondierten.
    – Alles bleibt an mir hängen.
    Der Pfarrer war sehr freundlich, er legte Bürste und Maria weg und er fing auch nicht an zu schreien oder legte sich aufs Sofa wie mein Vater. Er bat sie, sich von Gott helfen zu lassen, sagte, dass Gott hier ist, und sie fragte, wo denn, schaut er die ganze Zeit fern im Hinterzimmer?
    Zu Hause sagte sie:
    – Gott ist nicht praktisch veranlagt.
    Sie gab Ihm Zeit.
    Aber auch nach zwei Wochen hatte Gott keine Entscheidung gefällt, was Tat anging, und da mein Vater sowieso nicht weiterwusste, wollte meine Mutter nicht mehr zum Türken und in die Kirche schon gar nicht. Sie räumte tagelang im Keller herum. Sie machte meinem Vater die Hölle heiß wegen all der Holzreste, der Fahrradteile, der kaputten Werkzeuge, der Kisten und Kästchen, wegen des ausgelaufenen Öls, der blinden Fenster, der Späne, des ausgefransten Besens, der verbeulten Schaufel, der eingeweichten Pinsel, des vertrockneten Fensterkitts, der Farbtöpfe, der Dosen und Gläser, dem Leben überhaupt, dem Keller im besonderen und der ganzen Bruchbude sowieso, und während mein Vater mit dem Löffel in der Suppe herumplanschte, stellte sie ihn vor die Wahl.
    – Er oder ich.
    Mein Vater legte den Löffel beiseite und telefonierte stundenlang. Er besprach sich mit seinen Geschwistern, er telefonierte mit Ämtern und mit Tats Nachbarin, die er gern sah, und seinem Postboten, mit Madame Jelisaweta, und er bat mich, still zu sitzen, obwohl ich es kaum aushielt.
    – Ich will nicht, dass Tat wegmuss.
    – Er muss nicht weg, aber Tat ist sehr sonderbar geworden, siehst du doch.
    – Er macht Papierschiffe.
    – Eben.
    – Aber sie werden doch immer schöner.
    Zu Tat sagte ich:
    – Sie wollen dich einschläfern.
    Er saß in seinem Lieblingssessel. An einem Faden ziehend, löste er den Ärmel seiner Strickjacke auf. Schon bis zum Ellenbogen schaute sein Unterhemd heraus. Fasziniert schaute er auf das Wollknäuel in seinem Schoß.
    – Hörst du? Sie wollen dich einschläfern.
    Er kicherte bloß, zeigte auf die Flotte Schiffchen aus Einkaufszetteln und Schokoladepapier, flüsterte der Tatta etwas zu, sie musste ganz nahe sein.
    – Tat?
    Die meiste Zeit verbrachte er mit ihr oder in seiner Kindheit; er wollte keine Rätsel hören, und das letzte löste er nicht auf, auch nicht, als ich ihm versprach, Äpfel zu braten, auch einen für die Tatta, die einen solchen Hunger nach gebratenen Äpfeln haben musste am andern Ufer des Flusses, der Jordan hieß.
    – Tat!
    Ich rüttelte an seinem Arm.
    – Sie haben vor, dich einzuschläfern. Willst du nicht lieber die Schiffsfahrt machen, die du dir schon so lange vorgenommen hast? Die auf dem Jordan?
    Tat sah mich an und lachte, bis ihm die Tränen kamen.
    – Das ist nicht komisch. Ich will nicht, dass du weggehst.
    Er zog mich zu sich her, und ich versank in Apfelgeruch.
    Seit ich gegen den Gartenzaun getreten hatte, konnte sich Oskar nicht mehr erholen, wenn ich zu Schneewittchen ging, um sauber zu machen. Die Schnauze durch den Zaun gequetscht, kläffte er und war nur zu beruhigen, wenn ich ihm etwas zu fressen hinüberwarf.
    – Ich hab nichts, Oskar.
    In den Hosentaschen war noch nicht einmal mehr ein Kekskrümel. Ich zog sie heraus und zeigte sie ihm.
    – Da. Nichts. Und jetzt sei ruhig.
    Vorsichtig öffnete ich den Stall und stopfte frisches Heu hinein.
    – Es stimmt nicht, dass Tat alles vergisst, sagte ich zu Schneewittchen. Es ist nicht wahr, dass er nichts mehr begreift. Als mein Vater Tat vorhin beibrachte, dass sein alter Pflaumenbaum gefällt werden musste, hättest du ihn sehen sollen. Er hat sich ein Bein abgenommen und damit auf meinen Vater eingedroschen, und als er weglief, hat Tat es ihm nachgeschmissen. Ein einwandfreier Wurf! Hat ordentlich gekracht. Die Blondierte hat die Balkontür aufgerissen und gefragt, ob bei uns alles in Ordnung ist. Das mit dem Pflaumenbaum geht ihm sehr nahe. Stell dir vor, es gibt kein Heu, es gibt nie mehr Heu. Morgen fährt mein Vater Tat zurück in die Berge. Morgen schon. Ich muss ihn auf dem Laufenden halten, was Milena angeht, sagt Tat. So genau wie dich, sagt er . – Halt die Klappe, Oskar. Halt einfach die Klappe.
    Wir brachten Tat zum Frisör. Er hatte so lange Haare wie ein Halbstarker

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