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Monica Cantieni

Monica Cantieni

Titel: Monica Cantieni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grünschnabel
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Serviettenschiff auf seinen Schoß und begann an seinem Huhn herumzuschneiden, bis mein Vater es ihm zerlegte. Er band Tat grade die Segelschiffserviette um, als das Telefon klingelte und Werner Fernfahrer wieder anrief, um den Namen der Stadt aus einem Land ohne drohende Ölkrise zu buchstabieren. Mein Vater trug das zweite Huhn auf. Henry formte kleine Grießbällchen in seinem Teller, löffelte rote Soße auf sein Huhn, bestrich es damit wie ein Brot mit Marmelade, Silvester zwinkerte mir zu und zog vorsichtig einen Papiervogel aus der Hosentasche, den er gefaltet hatte, so gelb wie Vogel gewesen war, so gelb wie die Osterglocken in Tats Garten im Frühjahr, und Tat, Tat war endlich eingeschlafen.
    Das Ohr fest aufs Kissen gedrückt, liege ich im Bett. Die Wände knacken und klopfen, die Scheiben klirren, summen, das Zimmer zittert von einem Lastwagen, von einem zweiten und dritten, dann zittert der Kühlschrank in der Küche, und es ist still für einen Moment.
    Er kommt bestimmt, der Schlaf, el sueño. Er kommt durch den Türspalt, mit Elis Lachen und etwas Licht.

Die Blondierte grüßt …
    D IE BLONDIERTE GRÜSST VOM Sofa aus. Das Treppenhaus ist hell erleuchtet. Es wird getuschelt. Von der Decke hängt eine Lampe aus Kristallen, verteilt Regenbogen an die Wände, es riecht nach Blumen. Die Blondierte macht sich fein, frisiert sich im Fernseher, bevor sie ihn einschaltet und ordentlich aufdreht, der Flur sich dreht, das Geländer sich biegt, der Flur tanzt, die Nachbarin aus dem Erdgeschoss sich eine Kaffeetasse nimmt, die dampft, eine Zigarette, die brennt, ein aufgeschlagenes Buch, aus dem Wörter fallen. Sie hat noch Watte zwischen den Zehen, meine Mutter sieht es gleich, die Farbe ist mit Sicherheit noch nicht trocken, sie schüttelt den Kopf, kehrt Wörter zusammen; einige entkommen: schwarze kleine Tiere. Ich strecke die Hand aus, aber keins läuft mir zu. Eli setzt sich zu uns aufs Sofa. Aus seinen Hosenbeinen läuft Wasser, die Haare tropfen, er trieft; alles macht er nass. Meine Mutter sagt, so kannst du nicht bleiben, und er nickt und geht. Er nimmt den Ton vom Fernseher mit, die Blondierte schüttelt den Kopf und ruft ihm nach.
    – Gleich kommen die Nachrichten.
    Meine Mutter zuckt mit den Schultern.
    – Na und?
    Sie isst Schnitzel. Sie leckt sich die Finger und deutet dahin, wo Eli gestanden hat.
    – Er ist untergetaucht.
    – Sicher?
    – Garantiert.
    Blinzeln, selbst im Traum, einmal blinzeln, und wenn man Glück hat, bleibt das Bild im Kopf für immer.

Gott ist international …
    G OTT IST INTERNATIONAL BERÜHMT. Sogar der Türke um die Ecke hatte ein Bild von ihm an der Wand hängen, sein Auge war zu sehen. Es hing gleich neben einem Propheten vom Türken, dem türkischen Staatsgründer und der Schweizer Fahne. Meine Mutter seufzte jedes Mal, wenn sie unter dem Auge von Gott auf ein Stück Lamm wartete.
    Am Morgen nach Neujahr starrte sie besonders lange auf das Auge, und hinterher schwor sie das Gegenteil: Das Auge hätte sie angestarrt, richtiggehend geglotzt hätte es, schamlos, sagte sie, aufgefordert hätte es sie, herausgefordert, einen letzten Versuch zu machen mit Gott, damit er wiedergutmachen konnte, was er an ihr verbrochen hatte, all die Jahre lang, ohne sich auch nur einmal umzudrehen. Sie war wütend, als sie mich am Ärmel packte und mich hinter sich her in die Kirche zerrte und den Pfarrer beim Verräumen der Krippe unterbrach. Er war dabei, Fliegendreck von Maria und Josef zu kratzen, während das Jesuskind mit dem Esel und einem König im Waschbecken schwammen. Eli hätte das nicht gefallen. Er war in die Kirche gegangen, wann immer er konnte, und hatte in Deutsch fast so gut wie in Spanisch geglaubt, und wenn ich ihm erzählt hätte, dass Jesus als Kind mit dem Esel und dem Negerkönig in der Kirche baden ging, hätte er mir bestimmt eine geklebt.
    Meine Mutter nahm den Esel aus der Schüssel und sagte, dass die Männer auch im Alter nicht zu Gott finden, weil der keine große Hilfe im Haushalt ist, und da der Pfarrer nicht antwortete, beklagte sie sich darüber, dass sie es mit Tat nicht mehr schaffe und nun auch noch die Tatta aus dem Jenseits am Hals habe, der man auch Essen hinstellen müsse, der man Wäsche bügeln, die man grüßen müsse und an den Tisch bitten, dass in den Bergen ein Haus verlottere, sie in den Bergen ein unbewohntes Haus zu pflegen habe und hier ein überfülltes, einen Irren, der nachts die Nachbarn erschrecke, der Gespenster sehe, der über

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