Monika B. Ich bin nicht mehr eure Tochter: Ein Mädchen wird von seiner Familie jahrelang misshandelt (German Edition)
seine Spezialität. Wie ich später herausfand, hatte mein Vater sein Amt als Kassenwart doch niederlegen müssen und galt intern als überführt.
Mein Vater behauptete nun, einige » CDU -Schweine« in den Reihen der Lehrerschaft am Gymnasium würden, weil er in ihren Augen zu Unrecht einer Strafe entgangen war, sich an seinem Sohn rächen. »Was die mit Boris machen, ist Selbstjustiz!«, schrie er, als dieser einen blauen Brief nach dem anderen nach Hause brachte. »Die sollen mich kennen lernen! Mit mir nicht!«
In der Tat hatte Boris, bevor er aufs Gymnasium gekommen war, durchweg gute Noten erhalten. Und auch später, als er auf der Hauptschule war, konnten seine Leistungen sich sehen lassen. Niemand verstand, warum er in diesem einen Jahr Gymnasium so versagt hatte. Möglicherweise war mein Vater ja ausnahmsweise einmal im Recht.
XXIV
Die Tatsache, dass es ihm gelungen war, die eigene Tochter zu schwängern und das mit ihr gezeugte Kind noch im Mutterleib töten zu lassen, ohne dass Gottes Blitz ihn strafte oder der Arm des Gesetzes zupackte, nahm meinem Vater die letzten moralischen Hemmungen. Der Gruppensex, den meine Mutter initiierte, um die Aufmerksamkeit ihres Mannes von mir abzulenken, schützte mich keineswegs vor ihm. Seine Gier, mich sexuell zu besitzen und zu benutzen, mich zu demütigen und zu quälen, wurde immer unersättlicher.
Tagtäglich verging er sich nun an mir – stets dann, wenn meine Mutter zum Kellnern außer Haus war. Da sie bis zur Sperrstunde arbeitete und er sie regelmäßig selbst mit dem Auto von der Kneipe abholte, blieb ihm, ohne dass er auf »Dallas« oder seine anderen Lieblingssendungen verzichten musste, garantiert genügend Spielzeit mit mir. Zeit, die er nun noch brutaler und intensiver nutzte als je zuvor. Oft dauerte es Stunden, bis er endlich auf Touren kam, wie er es nannte. Ich dachte nicht darüber nach, warum er immer perversere Methoden, raffiniertere Hilfsmittel und grausamere Finessen brauchte, bis er sich endlich stöhnend in mir entleeren konnte.
Meine Mutter schien in jener Zeit wirklich nicht zu ahnen, was sich in ihrer Abwesenheit zwischen meinem Vater und mir abspielte. Meine Brüder, die es ihr hätten sagen können, schwiegen ebenso wie ich. Und mein Vater tat so unschuldig wie das Lamm Gottes. Wenn immer meine Mutter zugegen war, behandelte er mich betont distanziert, ja abschätzig.
Eine Zeit lang muss meine Mutter geglaubt haben, ihr Kampf um ihren Ehemann und seine Liebe sei gewonnen. Sie nahm sein Versprechen ernst: »Wir fangen noch einmal ganz neu an, nur wir fünf. Stefan gehörte sowieso nie richtig dazu. Eigentlich sind wir doch erst jetzt eine richtige Familie.«
Jeder konnte schließlich sehen, wie ernst es ihm mit dem Neuanfang war. Da war zum Beispiel die Sache mit dem Rauchen. Welcher Mann hörte schon Knall auf Fall damit auf, nur weil er seiner Familie nicht zumuten wollte, wegen seines persönlichen Lasters Opfer zu bringen? Mein Vater tat es. Keine Zigarette rührte er mehr an. Da er das Geld für die vier bis sechs Schachteln pro Tag nun sparte, kam am Monatsende jedes Mal ein hübsches Sümmchen zusammen. Dieses gab er mit vollen Händen für die Familie aus. Meine Mutter setzte ihm vor Bewunderung fast einen Heiligenschein dafür auf und rieb uns bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit unter die Nase, dass wir einen so wunderbaren Vater gar nicht verdient hatten.
So ermöglichte es unser Mustervater zum Beispiel, dass die ganze Familie Fahrräder erhielt. Ich selbst erbte zwar von irgendjemandem ein gebrauchtes, dessen Gangschaltung nicht richtig funktionierte, aber meine Brüder erhielten nach und nach jeder ein neues mit allem Pipapo. Wir alle waren rückhaltlos begeistert von unserem lieben Papa und seiner Großzügigkeit, die wir doch gar nicht verdient hatten. Ich war zwar traurig, dass ich als einzige kein neues Fahrrad erhalten hatte – aber ich nahm es als Strafe für meine mangelnde Fähigkeit hin, Papa so lieben zu können, wie er es wünschte.
Heute ist mir klar, dass der Kauf der Fahrräder ein ausgeklügelter Schachzug meines Vaters war. Schon immer hatte er sich gern mit uns in der Öffentlichkeit gezeigt, um zu demonstrieren, welch eine mustergültige Familie wir doch waren. Die Schwierigkeiten, die wir Kinder ihm in letzter Zeit machten, ließen nun einen verstärkten Einsatz geraten erscheinen. Schließlich musste um jeden Preis verhindert werden, dass Boris’ Scheitern auf dem Gymnasium, mein
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