Monkeewrench 04 - Memento
sie kamen, desto interessanter wurde der Anblick.
Magozzi stupste Gino mit dem Ellbogen. «Schau mal da oben auf dem Zaun.»
Gino beugte sich über ihn, um aus dem Fenster zu schauen. «Hä? Was sind denn das für Apparillos?»
«Erinnert mich an die Kameras, die Grace überall bei sich installiert hat.»
«Na, großartig. Ein ganzes Unternehmen, das so paranoid ist wie Grace MacBride. Was zum Teufel stellen die denn her, Sheriff?»
Mit großen Augen musterte Iris den Zaun und die Kameras, die im Abstand von etwa sechs Metern angebracht waren. Sie konnte sich all diese Sicherheitsmaßnahmen nicht erklären. «Biologisch-dynamische Produkte, soviel ich weiß. Lebensmittel, Kosmetik und so was. Ich habe selbst schon das eine oder andere im Internet bestellt.»
«Für mich sieht das eher nach einer militärischen Einrichtung aus. Oder nach einem Gefängnis ... Lieber Himmel, jetzt schau dir das an.» Sie hielten vor einem gewaltigen Tor, auf dessen linker Seite ein steinernes Wachhäuschen stand. Eine zierliche Frau in Stiefeln und schwerem Anorak trat heraus und kam auf den Wagen zu. «Die ist bewaffnet, Leo.»
«Das sehe ich auch.»
«Die haben hier ihren eigenen Sicherheitsdienst.» Sampson ließ das Fenster auf der Fahrerseite herunter. «Und alle Mitglieder dürfen Waffen tragen.»
Die Sicherheitsbeamtin schob die Kapuze ihres Anoraks zurück und schaute zum Fenster herein, an Sampson vorbei, als wäre er gar nicht da. «Sheriff Rikker?»
«Ja, richtig.»
Die Frau lächelte. «Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Wahl, Sheriff. Es freut mich sehr, Sie kennenzulernen.»
Magozzi hatte den Eindruck, dass diese Begrüßung Iris überraschte. Vielleicht waren es aber auch nur die Glückwünsche.
«Ich danke Ihnen herzlich.»
«Können Sie sich für Ihre Begleiter verbürgen?»
«Ja. Das ist Lieutenant Sampson... »
«Jetzt komm, Liz», fiel ihr Sampson ins Wort. «Hör auf mit dem Quatsch. Die zwei da auf dem Rücksitz sind Polizisten aus Minneapolis, die geben dir ihre Waffen auch nicht. Aber Wenn du willst, darfst mich gerne filzen.»
«Verlockendes Angebot, aber diesmal nicht. Ihr meldet euch als Erstes im Büro», ermahnte sie ihn.
«Ja, ich weiß, wie es läuft.» Sampson schloss das Fenster wieder, wartete, bis die Torflügel sich automatisch öffneten, und fuhr dann hinein.
Gino machte ein verwirrtes Gesicht. «Das kapier ich jetzt nicht. Die wissen, dass wir kommen, sehen, dass es ein Dienstfahrzeug ist, und trotzdem halten sie uns an?»
«Die halten jeden an. Nervt gewaltig, aber da sind sie ziemlich streng. Bis auf Liz. Ich glaube, die macht das nur, um mich zu ärgern.»
«Das heißt, Sie müssen jedes Mal anhalten und sich überprüfen lassen, wenn Sie einen Notruf von hier bekommen? Das ist doch Wahnsinn.»
«Na ja, wissen Sie, wir bekommen keine Notrufe von hier. Nicht einen, seit ich hier arbeite, und das sind jetzt immerhin fünfzehn Jahre. Die kennen mich nur, weil ich hier eine Bekannte habe. Sie lebt in der Wohnsiedlung hinter dem Firmenkomplex.»
Seit sie das Tor durchquert hatten, sah man ringsum nichts als Wald und Felder, die allesamt unter dem Schnee verschwunden waren. «Was für ein Firmenkomplex?»
«Gleich hinter der nächsten Anhöhe.»
Und tatsächlich: Dort lag ein Komplex aus modernen Gebäuden mit einem großen Innenhof und einem landschaftlich gestalteten Parkplatz. Er unterschied sich in nichts von den Dutzenden anderer Bürogebäude, die in sämtlichen Vororten von Minneapolis wie Pilze aus dem Boden schossen - nur dass er eben am Ende der Welt lag, von einem drei Meter hohen Maschendrahtzaun umgeben war und von bewaffnetem Sicherheitspersonal am Tor bewacht wurde. Magozzi sah sich keineswegs zum ersten Mal mit dem ausgeklügelten Sicherheitssystem eines Unternehmens konfrontiert, doch für einen Betrieb, der Marmelade und Makeup herstellte, wirkte das alles ein klein wenig übertrieben. Das galt auch für den Metalldetektor und die zweite bewaffnete Sicherheitsbeamtin am Eingang des Gebäudes.
In einem geräumigen Büro gleich neben der Eingangshalle wurden sie von einer Frau erwartet, die Sampson ihnen als Maggie Holland vorstellte. Sie mochte fünfundvierzig sein, vielleicht auch fünfundsechzig - so etwas ließ sich heutzutage ja zunehmend schlechter schätzen. Doch sie befand sich eindeutig in einer Altersgruppe, die Magozzi leichtes Unbehagen einflößte. Frauen in diesem Alter erwarteten meist längst keine Wunder mehr von Männern. Lauter zerstörte Träume,
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