Monkeewrench 04 - Memento
Soldaten.
Draußen standen sie neben ihrem Zivilstreifenwagen, sogen tief die eiskalte Luft ein und warteten, während der uniformierte Beamte, der sie zugeparkt hatte, seinen Wagen wegfuhr. Es sah aus wie bei einer Polizeiversammlung. Streifenwagen standen in der Einfahrt und in zweiter Reihe am Straßenrand. Zumindest hatten sie so ein etwas besseres Gefühl dabei, Tommy Deatons Witwe allein zu lassen, aber auch ein sehr viel schlechteres wegen der Situation insgesamt.
«Ein Glück, dass wir das nicht nochmal machen müssen», brummte Gino. «Als ich eben auf dem Klo war, hat McLaren angerufen. Wir treffen uns in der City Hall, wenn er und Tinker die andere Familie benachrichtigt haben.»
«War Myerson auch verheiratet?»
«Schlimmer. Ein glücklicher Junggeselle, noch keine achtundzwanzig. Er war gerade wieder bei seiner Mutter eingezogen, die schwer krank ist, und hat einen Großteil seiner Freizeit damit zugebracht, sie zu pflegen. McLaren kannte ihn, er ist völlig am Ende. Verdammt, Leo, dieser Kerl murkst Polizisten ab. Gute Polizisten. Und er macht es quasi vor unseren Augen, bei einer MPD-Wohltätigkeitsveranstaltung. Das kommt so was von nah, dass mir angst und bange wird. Mannomann, ist das schweinekalt hier draußen. Du kannst sagen, was du willst, es ist mindestens zwanzig Grad kälter geworden, seit wir drinnen waren.»
Magozzi schloss den Wagen auf und hielt das Gesicht in den Westwind. Der Wind frischte langsam auf, und er roch weiteren Schnee.
KAPITEL 6
Es war Samstagnachmittag. Eigentlich hätte Steve Doyle zu Hause Schnee räumen sollen, damit die Einfahrt frei war, wenn seine Frau am Abend mit den Kindern aus Northfield zurückkam. Eigentlich hätte er auch das schmutzige Geschirr spülen sollen, das sich nach einer Woche Strohwitwer-Dasein in der Spüle stapelte. Vor allem aber hätte er auf dem Sofa lümmeln, ein kühles Bier trinken und sich das Eishockeyspiel der Gophers anschauen sollen. Eigentlich.
Stattdessen saß er an seinem kostbaren freien Tag im Büro und las sich den Ekel erregenden Lebenslauf eines weiteren Kotzbrockens durch, den er hüten sollte. Und das nur, weil der verdammte Schneesturm gestern sämtliche Busse und fast den ganzen Straßenverkehr lahm gelegt hatte und der frisch entlassene Kurt Weinbeck den Freitagnachmittagstermin bei seinem Bewährungshelfer deshalb nicht einhalten konnte. Aus irgendeinem Grund, der nur dem Himmel und dem Strafrechtssystem bekannt war, hatte Doyles Vorgesetzter die blendende Idee gehabt, den Termin zu verschieben und ihn am Wochenende einzubestellen, damit er seinen Vortrag über Urinproben, sinnvolle Beschäftigung und die offene Vollzugsanstalt halten konnte, die der Kotzbrocken für die nächsten paar Monate sein Zuhause nennen durfte. Als ob das irgendetwas bringen würde.
Er leerte seine Kaffeetasse und schenkte sich noch etwas ein, obwohl er bereits einen Koffeinrausch hatte. Dann konzentrierte er sich wieder auf die Akte, die vor ihm lag. Kurt Weinbeck war ein Mehrfachverbrecher, bei dem nach Doyles Einschätzung keinerlei Hoffnung auf Besserung bestand - ein Wiederholungstäter, den ein nicht mehr nur blindes, sondern völlig hirntotes Rechtssystem immer wieder von neuem auf die Welt losließ. Doyle war schon lange der Ansicht, dass man Typen wie Weinbeck eigentlich zu Dünger verarbeiten sollte. Schließlich bestanden sie ohnehin nur aus Scheiße.
Er war erst Ende dreißig und laut der Statistik noch ein paar Jahre vom völligen Burn-out entfernt, war aber selbst überzeugt davon, diese Schwelle längst überschritten zu haben. Seine Frau flehte ihn schon seit zwei Jahren an, sich eine neue Arbeit zu suchen, und inzwischen war er fast so weit, einfach auf sie zu hören. Vielleicht war Kurt Weinbeck sogar der letzte Fall, den er betreuen würde. Dieser Gedanke heiterte ihn ein wenig auf.
Als er mit der Arbeit angefangen hatte, war er ein junger, hoffnungsvoller, gläubiger Christ gewesen, überzeugt davon, dass alle Verbrecher nur fehlgeleitete Opfer seien und dass es ihm und Gott zufalle, mit vereinten Kräften alle Sünder zu bekehren. Nach fünf Jahren war er zum zynischen Agnostiker geworden, der die Todesstrafe für keine ganz schlechte Idee hielt. Und nach zehn Jahren war er ein unverbesserlicher Atheist mit einer .357er in der Schreibtischschublade, weil mindestens die Hälfte der Kerle ihm Angst einjagte. Wenn man so viele Akten über irgendwelche Perversen las, die ihre eigenen Kinder sexuell missbrauchten, fremde
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