Monkeewrench 05 - Sieh mir beim Sterben zu
schönen Sommertag zum Supermarkt zu laufen, konnte man doch hinterher, mit mehr als einer Einkaufstasche beladen, nicht mehr schnell genug die Waffe ziehen, falls sich das als nötig erweisen sollte. Und heute würden es mindestens drei, wenn nicht gar vier Tüten werden, denn Grace wollte für alle kochen.
In letzter Zeit hatte sie oft über ihre Leidenschaften nachgedacht und darüber, dass die einzigen beiden, die sie besaß – die Arbeit und das Kochen – im Grunde nichts mit anderen Menschen zu tun hatten. Magozzi hatte auf der glatten Oberfläche ihrer Einsamkeit ein paar Wellen geschlagen. Der Mann gab einfach nicht auf. Unermüdlich kratzte er an der Tür zu ihrem Leben und ignorierte blindlings alle Signale, die jeden anderen schon längst entmutigt hätten. Er tat, als könnte er allein mit Beharrlichkeit die Barrieren durchbrechen, die sie so sorgsam um sich aufgerichtet hatte. Grace war praktisch veranlagt, sie war sich ihrer schlichten biologischen Bedürfnisse als Mensch durchaus bewusst und hatte sich mit der Schwäche, hin und wieder dem Drang nach Körperkontakt nachzugeben, abgefunden. Sie wusste, dass Magozzi viel mehr wollte und auch verdiente, doch was sie ihm geben konnte, war unglücklicherweise äußerst begrenzt. Die Angst hatte immer schon ihr Leben bestimmt, und inzwischen hatte sie den Verdacht, dass sich das auch niemals ändern würde. Es war, als müsste man unter Wasser weiterleben, obwohl bereits alle Luft aus den Lungen entwichen war: Man wollte verzweifelt atmen und fürchtete sich doch vor den Folgen.
Sie dachte an Annie, Harley und Roadrunner, die sich um sie sorgten und ihr immer wieder erklärten, sie würde sich abkapseln von dem Einzigen, das wirklich zählte: einer festen Beziehung. Anscheinend fassten sie sich dabei aber nie an die eigene Nase und erkannten nicht, was im Grunde offensichtlich war: Sie kapselten sich alle ab. Annies Flirts, Roadrunners Sportbesessenheit und Harleys ständig wechselnde, kurzlebige Affären – das alles hinderte sie ebenso wie Grace an dauerhaften zwischenmenschlichen Beziehungen. Womöglich gab es für sie alle längst keine Hoffnung mehr – bis auf ihre Freundschaft zueinander, die einzige Konstante in ihrer aller Leben.
John Smith saß oben im Monkeewrench-Büro, schaute aus dem Fenster und fragte sich, was er bloß mit sich anfangen sollte. Die letzten achtundvierzig Stunden waren der Traum eines jeden Workaholic und Adrenalinjunkies gewesen, doch wenn man so veranlagt war, hatte man das große Problem, dass die Zeit grundsätzlich gegen einen arbeitete. Entweder es gab zu wenig davon oder, wie jetzt, viel zu viel.
Die meisten anderen Agenten in seinem Alter hatten jede Menge Möglichkeiten, auf die sie ihre Aufmerksamkeit und ihre Energie richten konnten, wenn die große Action vorbei war. Sie hatten Kinder, Enkel, Ehefrauen, ein Sozialleben. Er hatte das alles nicht, was die Arbeit deutlich vereinfachte. Nur würde er in ein paar Monaten nicht einmal mehr eine Arbeit haben, und den Gedanken, sich dann ausschließlich mit sich selbst beschäftigen zu müssen, fand er ungeheuer deprimierend.
Die Belegschaft von Monkeewrench schien seinen Mangel an Alternativen nicht zu teilen; auch sie hatten offensichtlich alle ihre Rückzugsorte, an denen sie ihre Batterien aufladen und alle Gedanken abschalten konnten. Und bis auf Grace MacBride hatten sie auch alle versucht, ihn einzubeziehen. Doch Sport war ihm verhasst, was Roadrunners Angebot einer Fahrradtour schon mal ausschloss, und Opern waren ihm noch viel verhasster, sodass er auch Harleys Aufforderung, sich mit ihm in ein abgelegenes Zimmer zurückzuziehen und zuzuhören, wie ein paar Menschen sich irgendwelche abgedroschenen Phrasen aus dem Leib kreischten, höflich ablehnen musste. Worin Graces Zuflucht bestand, wusste er nicht – er hatte nur mitbekommen, dass sie früh am Morgen mit ihrem Range Rover verschwunden war. Das einzig halbwegs attraktive Angebot war von Annie gekommen, aber er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was in so einem Spa eigentlich vor sich ging, und bezweifelte außerdem, dass man dort noch viel für ihn tun konnte.
Großer Gott, was war bloß los mit ihm? Aus lauter Verzweiflung hatte er sogar schon versucht, dem seltsamen Hund Stöckchen zu werfen, doch der Köter hatte ihn nicht weiter beachtet. Er beschränkte sich darauf, vor der Tür sitzen zu bleiben, durch die sein Frauchen verschwunden war, und den Türknauf anzustarren. Jetzt
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