Monkeewrench 06 - Todesnaehe
aufgetischt haben, bleiben wir auch noch über Nacht und trinken ihnen den Whiskey weg.»
«Ich weiß. Aber wir haben nur getan, was wir tun mussten.»
Gino brummte, hob beide Beine und streckte sie dann wieder aus, um den Hocker vor seinem Sessel in die Runde miteinzubeziehen. «Ich hab dir gleich gesagt, wir hätten mit dem Wagen kommen sollen. Aber nein, es musste ja unbedingt das Flugzeug sein.»
«Bei dem Sauwetter könnten wir auch nicht fahren, Gino.»
«Wenn wir ganz langsam fahren würden, schon. So sitzen wir hier fest mit einem brandheißen Rechner und einem Terrorplan wie aus dem Gruselkabinett, der jede Sekunde ausgeführt werden kann.»
Magozzi schaute zum Kamin, wo noch die verbliebene Glut des Feuers glomm. Er konnte sich gut vorstellen, irgendwann einmal in einem Haus wie diesem zu leben, wenn er alt und pensioniert war, und zum Morgenkaffee mit einem kleinen Fernglas Vögel zu beobachten. Eigentlich kein schlechter Ort, um sich einschneien zu lassen.
Gino gähnte und streckte sich. «Mann, bin ich kaputt. Ich glaube, ich hau mich in die Falle. Was ist mit dir?»
«Ich mach’s auch nicht mehr lange. Ich wollte nur noch kurz Grace anrufen, um zu hören, wie es steht.»
«Wo ist unser Gepäck?»
«In Claudes Wagen.» Magozzi warf Gino den Autoschlüssel zu. «Rutsch nicht aus auf dem Eis. Wenn du in fünf Minuten nicht wieder da bist, komme ich nachsehen, ob du von einem Bären gefressen worden bist.»
Gino wurde blass und griff nach seiner Waffe. «Scheiße!»
Während Gino auf Gepäckmission war, wählte Magozzi Grace’ Nummer. Es klingelte nicht einmal, stattdessen schaltete sich gleich die Mailbox ein. Einen Moment lang zögerte er und überlegte, ob er eine Nachricht hinterlassen sollte, dann fiel ihm ihre Ermahnung wieder ein, sie nur auf dem Karten-Handy anzurufen.
Wenn du mich erreichen willst, versuch es unter dieser Nummer. Ich lasse es Tag und Nacht an. Irgendwer wird immer rangehen.
Magozzi schloss die Augen und dachte kurz nach. Grace machte keine Fehler; sie zog immer alles durch. Wenn sie sagte, sie würde jederzeit ans Telefon gehen, dann ging sie jederzeit ans Telefon … außer es war etwas nicht in Ordnung.
Sein Herz setzte einen Schlag aus, und er bekam Gänsehaut auf den Armen. Er rutschte bis zum äußersten Rand des Sessels vor, legte das Handy auf den Couchtisch und starrte es an. Ganz ruhig, Magozzi. Nicht gleich übertreiben. Vielleicht ist sie ja im Bad. Oder sie ist schon im Bett und hat das Handy unten liegen lassen. Vielleicht ist auch der Akku leer. Es kann alle möglichen Gründe haben.
Irgendwer wird immer rangehen.
«Scheiß drauf!» Magozzi sprang auf, griff nach seinem Handy und wählte Harleys Festnetzdurchwahl im Monkeewrench-Büro. Wieder nichts. Jetzt spürte er die ersten Anzeichen einer Panik, die in seinem Magen Wurzeln schlug und sich rasch ausbreitete. Sie begann zu wuchern, während er es erst bei Annies Handy versuchte, dann bei dem von Harley und schließlich bei Roadrunner.
Gino kam beladen mit Reisetaschen zurück ins Zimmer. «Mann, du musst unbedingt mal den Kopf rausstrecken und dir die Eulen anhören. Klingt, als hätten die da eine Party, und ich glaube, eine hat …» Doch als er die Miene seines Partners sah, erstickte das jeden weiteren Austausch über Eulen im Keim. «Was ist los, Leo?»
Magozzi spürte, wie die Hand, mit der er immer noch das Handy hielt, heiß und klebrig wurde. «Ich erreiche sie nicht. Keinen. Alle Handys schalten sofort auf Mailbox.»
Er sah zu, wie Gino ganz gelassen die Taschen abstellte und sich wieder in seinen Sessel setzte. Das war absolut typisch: Die meiste Zeit war Gino so launisch und empfindlich wie eine Rassekatze, aber sobald es in irgendeinem Lebensbereich zu einer richtigen Krise kam, verwandelte er sich in den Dalai Lama. «Hast du es auch bei ihnen zu Hause versucht?»
«Ja. Ich versuch’s noch mal.»
Gino ließ ihn nicht aus den Augen, während Magozzi noch einmal alle Nummern wählte und dann verzweifelt aufblickte.
«Nichts. Da stimmt was nicht. Grace hat mir versprochen, dass immer irgendwer an das Karten-Handy geht.» Er schwieg kurz, dann sah er Gino direkt an. «Mein Gott, die haben doch auch Kardon auf der Suche nach Smith umgebracht. Vielleicht spannen sie das Netz ja jetzt weiter.»
Gino blies die Wangen auf, dann griff er in die Tasche und zog die Großpackung der Magentabletten hervor, die er schon während des Flugs im Minutentakt eingeworfen hatte. Er nahm selber zwei
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